Wie Unternehmen mit der Produktion eigener (kleiner) Videos starten können
Mehr als eine Milliarde Stunden Videos werden jeden Tag auf YouTube gestreamt, wie das Portal im Februar 2017 auf seinem Blog bekannt gegeben hat. Bereits diese Zahl zeigt: Online-Videos sind aus dem Konsum der meisten Menschen – und damit auch aus der Kommunikation und dem Marketing – nicht mehr wegzudenken.
Und bevor Skeptiker, zu denen ich mich manchmal auch zähle, jetzt abwinken: Der Trend hin zu mehr Online-Videos ist keineswegs ein US-amerikanisches Phänomen. Auch in Deutschland wächst der Konsum kontinuierlich, wie die aktuelle Analyse von We Are Social und Hootsuite zeigt.
Von YouTube über Facebook bis hin zu Instagram, Snapchat und Twitter haben alle großen sozialen Netzwerke Videos in verschiedensten Formaten integriert. Und da diese Angebote ganz offensichtlich gerne genutzt werden, sollten Videos für Unternehmen unbedingt Teil der Unternehmenskommunikation und/oder des Marketings sein.
Das bedeutet jedoch nicht, dass jedes Thema durch Videos abgebildet werden muss. Videos sind – wie jedes andere Medium – nur dann sinnvoll, wenn sie gezielt und im Rahmen einer Strategie eingesetzt werden.
DAS SMARTPHONE ALS ZIELPLATTFORM FÜR VIDEOS
Bei allen Video-Formaten und -Strategien gilt ein entscheidender Grundsatz: Das Smartphone ist, Ausnahmen bestätigen die Regel, die primäre Zielplattform. Was professionellen Videographen und Filmemachern fast schon körperliche Schmerzen bereitet, resultiert schlicht aus den Nutzungsgewohnheiten der Menschen.
Die aktuelle Online-Studie von ARD und ZDF zeigt: Selbst in Deutschland, einem Land das sich in Sachen Online-Nutzung etwas mehr Zeit lässt, hat das Smartphone den Computer als Zugang zum Internet überholt.
Das eine oder andere Unternehmen kann jetzt zu Recht einwenden, dass ihre Kunden und die Besucher ihrer Website oder ihres Blogs noch größtenteils über den Computer online gehen.
Das mag sein, ist aus meiner Sicht aber aus drei Gründen kein tragfähiges Argument:
- Jede Kundschaft altert. Heute ist bei jüngeren Nutzern und Kunden die Smartphone-Nutzung viel stärker ausgeprägt als bei älteren Kunden. Wenn die heute jungen Menschen älter werden, wird das Smartphone ganz automatisch auch ältere Menschen erreichen.
- Oft zeigen die Statistiken auch deshalb einen geringen Anteil mobiler Nutzer, weil Angebote und Content nicht auf mobile Nutzer optimiert sind. Wenn Menschen mobil auf eine Seite kommen, die nicht responsive ist, verlassen sie diese schnell wieder – und kommen mobil auch nicht wieder.
- Auch wenn Smartphones heute gefühlt allgegenwärtig sind, begann der Siegeszug der mobilen Begleiter erst vor ungefähr zehn Jahren. Trotz der beeindruckenden Leistung moderner Smartphones steht diese Gerätekategorie erst am Anfang ihrer Entwicklung. Mit fortscheitender Verbesserung werden Smartphones für noch mehr Menschen zum primären Internetzugang.
All das bedeutet nicht, dass du Desktop-Nutzer in deiner Strategie komplett ignorieren solltest. Doch es lohnt sich, den Fokus auf Smartphones und mobile Plattformen und Nutzungsszenarien zu legen.
Dadurch erreichst du nicht nur heute schon mehr Menschen, sondern schaffst auch die Grundlage für den Kontakt mit künftigen Kunden.
Videos brauchen Ziele
Die wichtigste Frage vor dem Videoeinsteig lautet: Welchen Zielen dienen die Videos? Wie jedes andere Format und Medium sollten auch Videos nur dann zum Einsatz kommen, wenn klar ist, welche Wirkung damit erreicht werden soll.
Im zweiten Schritt folgt die Frage nach den Adressaten. Den Begriff „Zielgruppe“ vermeide ich bewusst, suggeriert er aus meiner Sicht doch, dass sich Menschen in klar definierte Gruppen mit singulären Interessen einordnen lassen. Doch das ist nicht der Fall.
Stattdessen empfehle ich – nicht nur aber eben auch bei Videos – folgende Vorgehensweise:
- Analysiere und verstehe die Bedürfnisse deiner existierenden und potenziellen Kunden: Niemand kauft ein Produkt um des Produktes willen. Vielmehr soll damit entweder ein Problem gelöst, eine Frage beantwortet oder ein bestimmtes Gefühl oder die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe erreicht werden.
- Verstehe dann den Kontext und die Situation deiner Adressaten: Eltern mit Kindern befinden sich logischerweise in einer anderen Situation als junge Erwachsene oder Studenten. Beide Adressaten können sich für das gleiche Produkt interessieren. Doch die Ansprache und möglicherweise auch die Bedürfnisse der Adressaten unterscheiden sich deutlich.
- Zu guter Letzt solltest du auch die Nutzungs- und Konsumgewohnheiten deiner Adressaten verstehen: Wo, wann und warum schauen sie Videos? In welchen Netzwerken sind sie unterwegs? Welche Funktion erfüllen Videos für sie? Welche Art von Videos konsumieren sie in der Regel?
Diese Informationen sollten vor Beginn der Videoproduktion vorhanden sein. Das klingt nicht nur nach Arbeit – das ist es auch. Diese Analyse lohnt sich jedoch, da mit dieser Basis der gezielte und strategische Videoeinstieg möglich ist.
Quadratische Videos: Der kleinste gemeinsame Nenner
Vorweg ein Tipp: Wenn du mit deinem Unternehmen und überschaubaren oder geringen Ressourcen in das Thema „Videos für deine Kommunikation“ einsteigen willst, empfehle ich dir den Start mit Facebook- und Instagram-Videos. Beide Plattformen teilen einen Vorteil: Hier werden von den Nutzern auch Videos ohne Highend-Qualität akzeptiert.
Die Qualität sollte idealerweise dennoch ausreichend bis gut sein, doch das liegt wie immer im Auge des Betrachters. Da allerdings sowohl Facebook- als auch Instagram-Videos primär mobil betrachtet werden, fällt eine geringfügig schlechtere Videoqualität – guter Ton und akzeptables Bild vorausgesetzt – nicht so sehr ins Gewicht wie beispielsweise auf YouTube, wo Videos immer noch häufig am Desktop aufgerufen werden.
Instagram und Facebook teilen noch eine weitere Gemeinsamkeit, die auch auf Twitter zutrifft: Quadratische Videos sind Standard oder werden zumindest akzeptiert. Für dieses Format sprechen einige Punkte:
- Bei quadratischen Videos müssen Inhalte und Motiv – natürlich (!) – interessant sein, doch die Bildaufteilung ist sehr viel weniger anspruchsvoll als bei Videos, die im Querformat aufgenommen werden.
- Videos im quadratischen Format lassen sich auf mehreren Plattformen einsetzen. Die Verwendung auf Facebook, Instagram und Twitter ist – die richtige Länge vorausgesetzt – problemlos möglich.
- Bei der Aufnahme quadratischer Videos kann das Smartphone hochkant gehalten werden. Vor allem bei der Arbeit mit in der Videoproduktion ungeübten Mitarbeitern ist dies ein spürbarer Vorteil bei geringerer Einstiegshürde.
Quadratische Videos sind sozusagen der kleinste gemeinsame Nenner zwischen Quer- und Hochkantformat. Für den Einstieg und die reine Verwendung in den Sozialen Netzwerken ist dieses Format daher optimal geeignet.
STORIES ERLEICHTERN DEN VIDEOEINSTIEG
2016 war Snapchat noch in aller Munde, jetzt aber hat es Instagram durch die Stories – ein klar erkennbarer Nachbau von Snapchat – geschafft, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Ich persönlich nutze Instagram Stories bei Kunden oft als Trainingstool und ersten Schritt für den Videoeinstieg. Das folgende Prinzip lässt sich allerdings auch auf Snapchat übertragen, wenn die Plattform für deine Zwecke – beispielsweise aufgrund sehr junger Adressaten – besser geeignet ist.
Das Training erleichtert Mitarbeitern, die bisher kaum oder keine Erfahrung mit Videos und Storytelling via Smartphone haben, den Einstieg in das Medium. Die Voraussetzung: Es werden auf privat gestellte Instagram-Kanäle angelegt. Diese können auch mit Fake-Namen angelegt werden, da sie nur zur Übung dienen und auch später nicht in offizielle Unternehmenskanäle umgewandelt werden sollen.
Jeder Mitarbeiter legt einen solchen Kanal an, und alle Mitarbeiter des Teams folgen sich gegenseitig. Das Training funktioniert dann so:
- Jeder Mitarbeiter muss einen Tag lang ein Fachthema via Instagram Story erklären. Die Kollegen verfolgen die Story und geben Feedback. Am nächsten Tag ist ein anderer Kollege dran und erklärt ein anderes Thema.
- Jede Story wird am Ende des Tages heruntergeladen und auf dem jeweiligen Smartphone gesichert.
- Am Ende der Woche werden die gesicherten Stories auf einen Computer übertragen und dann im gesamten Team nochmals angesehen. Hier finden dann auch Manöverkritik und Feedback in der Team-Runde statt.
Nach ein bis zwei Wochen dieses Trainings sind auch bisher unerfahrene Mitarbeiter mit dem Smartphone vertraut und können – im Rahmen der individuellen Möglichkeiten – Geschichten mit Bildern und Videos durch das Smartphone erzählen.
Formate für den Videoeinstieg
Neben der Wahl der passenden Kanäle ist auch die Wahl des passenden Formats wichtig. Für den Einstieg empfehle ich Formate ohne Menschen vor der Kamera. Der Grund: Menschen sind längst nicht so kooperativ wie Gegenstände.
Wenn du Videos mit Menschen machst, musst du dich nicht nur um das Video, sondern eben auch um die Menschen kümmern und diese anleiten. Wenn du Übung in der Videoaufnahme hast, ist das kein Problem. Zu Beginn allerdings schon.
Hier also einige Formate, die du für den Einstieg meiner Erfahrung nach gut nutzen kannst:
- Eventrückblicke: Einige Aufnahmen von Gesprächen, ein kurzer Eindruck der Eröffnung und eine nachträglich eingesprochene Tonspur – Voice Over genannt – führen zu einem guten Eventrückblick. Der Vorteil: Niemand muss in die Kamera sprechen, und es besteht kein Zeitdruck bei der Produktion.
- Erklärvideos: Die einfachste Variante besteht aus sogenannten Screencasts, also Bildschirmaufnahmen, bei denen Präsentationen ablaufen oder Software vorgestellt wird. Ein einfacher Einstieg, bei dem ebenfalls niemand vor die Kamera treten muss.
- Statements: Hier muss natürlich ein Mensch in die Kamera sprechen. Wenn du gute Redner mit Kameraerfahrung hast, kann auch dieses Format für den Einstieg geeignet sein.
- Tutorial: Bei diesem Format erläuterst du die Bedienung eines Produkts und zeigst, wie Kunden damit arbeiten können. Dabei können auch nur deine Hände zu sehen sein, vor die Kamera muss auch hier niemand.
360-Grad und Livestreaming
Wenn du den Einstieg etwas ambitionierter angehen willst, kannst du dich auch an 360-Grad-Fotos oder Livestreams versuchen. Hier ist jedoch eine Warnung angebracht: Livestreams sollten meiner Erfahrung nach erst nach einiger Übung in Sachen Video erstellt werden. Worauf es dabei ankommt, habe ich bereits ausführlich in einem früheren Artikel beschrieben.
Der Einstieg in das 360-Grad-Format ist vergleichsweise einfach, wenn du dich zunächst auf 360-Grad-Fotos beschränkst. Dazu reichen günstige Kameras wie beispielsweise die Ricoh Theta SC oder die Insta360 Nano, die ich gerade teste und die man mit etwas Glück schon zu einem Preis von weniger als 300 Euro erstehen kann. Andere Kameras sind teils deutlich teurer – das ist dann vielleicht etwas für später.
Unten siehst du ein auf Facebook eingebettetes 360-Grad-Foto der Insta360 Nano:
Der Vorteil der Insta 360 Nano: Die mitgelieferte App kann die Fotos auch als Kurzvideo animieren. Das ist zwar kein echtes 360-Grad-Video, wirkt jedoch trotzdem cool und erzielt auf Facebook eine hohe Reichweite. Das sieht dann so aus:
Abschließend habe ich noch einige Leseempfehlungen für den Videoeinstieg für dich. Wenn du weitere Fragen hast, stelle diese gerne in den Kommentaren. Ich wünsche dir viel Erfolg für den Start.
Leseempfehlungen
- Videokamera vs. Spiegelreflexkamera – Wer ist der bessere filmische Begleiter?
- Zehn Praxistipps für schönere Fotos auf Facebook, Instagram & Co
- Snapchat für die (Unternehmens-)Kommunikation – Lernen statt senden in fünf Schritten
- Facebook Video und YouTube: Die drei wichtigsten Unterschiede
Artikelbild: Martin Mummel/GRVTY
Vielen Dank für diesen Beitrag über die Videoproduktion für Unternehmen. Gut zu wissen, dass man besonders das Nutzungs- und Konsumverhalten der Zielkundschaft beachten sollte. Wir erwägen auch für unser Unternehmen Videos zu produzieren und daher helfen diese Informationen sehr.