Regionales Marketing erfordert Insiderwissen und Empathie
Länder sind mitnichten homogene Einheiten. Im Gegenteil, sie sind ein Konglomerat verschiedenster Regionen, die sich in unzähligen Punkten teils erheblich voneinander unterscheiden.
Ähnlich verhält es sich im Marketing: Es kann die eigenen Marketing-Anstrengungen enorm boosten, sie (auch) regional auszulegen. Worauf es dabei ankommt, zeige ich in diesem Beitrag.
Warum sollte man regionales Marketing betreiben?
Die Welt wächst immer mehr zusammen. Insbesondere diejenigen, deren Business sich vornehmlich via Web abspielt, sehen das an einem Kundenstamm, der oftmals aus der ganzen Welt kommt.
Ist es da nicht das Äquivalent zur politischen Kleinstaaterei, wenn man Marketing in regionaler Form betreibt? Nein, ganz und gar nicht:
- Viele Menschen denken und fühlen zwar global. Dennoch identifizieren sich aber die meisten zu einem beträchtlichen Teil mit „ihrer“ Region. Der bekannte Marketing-Satz „
Think globally, act locally
“, greift nach wie vor. - Regionales Marketing ist emotional. Es sorgt dafür, dass eine Marke, ein Produkt eine persönlichere Ausstrahlung bekommt. Es spricht die Zielgruppe konkreter an und verbessert die Wahrnehmung eines Unternehmens.
- Regionalität steht in der globalisierten Welt für Stabilität, etwas Originäres, das in der Wahrnehmung vieler Menschen als wertiger angesehen wird.
- Regionales Marketing erschafft durch Identifikation eine scharfe Abgrenzung zur Konkurrenz und somit eine Einzigartigkeit, die sich kaum kopieren oder übertrumpfen lässt.
Dass es wirkt, lässt sich tagtäglich selbst bei großen Marken beobachten. Besonders prominent ist der „Local Touch“ interessanterweise bei Bier. „In Bayern daheim, in der Welt zuhause
“, dieser Slogan der Erdinger Brauerei dürfte ebenso deutschlandweit bekannt sein wie die stark mit der hamburgischen St. Pauli-Attitüde spielenden Plakate der Biermarke Astra.
Allerdings sei unterstrichen, dass Regionalität nicht nur bei Bier funktioniert, sondern auf jedem Gebiet.
Mit der Region für die Region
Jeder kennt den Spruch „etwas wie seine Westentasche kennen“. Beim regionalen Marketing kommt ihm eine besondere Bedeutung zu. Denn Menschen (= die Zielgruppe) einer Region sind diejenigen, die sie am allerbesten kennen.
Ein enorm wichtiges Kriterium. Denn dieses intime Wissen über einen Ort, seine Menschen, ihren Charakter usw. ist es, das Unternehmen und Marken geradezu zwingt, ebenso intime Wissensdetails zu nutzen.
Würde ein Berliner Unternehmen, das auch die Hauptstadtbevölkerung ansprechen möchte, sich nur auf breitbekannte Wahrzeichen, Slangs und Berliner-Klischees stützen, wäre das zu kurz gegriffen. Es würde wirken, als würden Außenstehende sich an Außenstehende richten – weil der eingesessene Berliner über viel intimeres Wissen bezüglich seiner Stadt und den jeweiligen Eigenheiten verfügt.
Daher ist es enorm hilfreich, oft sogar zwingend, mit Profis aus der angepeilten Region zusammenzuarbeiten.
- Ein Werbetexter aus Hamburg wäre beispielsweise für eine Kampagne, die auf Stuttgart zielt, die falsche Wahl, weil er nicht die dortige „Sprache“ spricht – und damit ist nicht der Dialekt gemeint, sondern der Charakter der breiten Einwohnerschaft. In dem Fall sollte die Partnerfirma zumindest aus Baden-Württemberg stammen oder eben idealerweise direkt aus Stuttgart, wie dies beispielsweise bei der Kommunikationsexpertin Katja Welte der Fall ist.
- Ähnlich wichtig ist dies bei der Bildsprache. Nähme man etwa einen Münchner Fotografen, der Fotos für eine auf Hannover gemünzte Kampagne mit Lokalkolorit schießen soll, bestünde die große Gefahr, dass er nur die überregional bekannten Dinge fotografiert. Auch hier verfügt nur ein einheimischer Fotograf über jenes Insiderwissen, das man bekommt, wenn man lange in einer Region beheimatet ist. Für den echten hannoverschen Look ist daher auch ein dort ansäßiger Dienstleister wie Esau Fotografie, ein Werbefotograf aus dieser Stadt, die bessere Wahl. Ein solcher Profi hat ein völlig anderes Auge für die optische Identität einer Region.
- Ebenfalls zentral ist das Thema, wenn man sich geschriebenem und vor allem gesprochenem Dialekt bedienen möchte. Natürlich könnte etwa ein Werbesprecher aus Potsdam einen Sauerländer Dialekt nachahmen. Aber einheimischen Ohren würden das direkt auffallen. Nur mit einem Sprecher aus Lüdenscheid, Winterberg oder Olpe wäre man auf der sicheren Seite. Woll?
Zusammenfassung:
- Einwohner einer Region kennen diese Region sehr gut. Sie erkennen deshalb echtes Lokalkolorit und können es sehr schnell von gekünsteltem unterscheiden.
- Regionales Marketing muss deshalb, sofern man nicht selbst über das Insiderwissen verfügt, mit Partnerunternehmen aus der angepeilten Region zusammenarbeiten.
- Wenn regional geworben wird, muss es tiefgreifend sein. Für oberflächliche Versatzstücke, die landläufig einer Region zugeschrieben werden, ist hier kein Raum.
On- und offline zuschlagen
Überregionales Marketing ist oft zwangsläufig etwas weniger spezifisch und unterliegt dadurch einer gewissen Gefahr, überladen und wenig präzise zu wirken, weil man einen so großen potenziellen Kundenkreis ansprechen möchte.
Beim regionalen Marketing gilt in gewissen Grenzen das Gegenteil. Hier ist die Zielgruppe überschaubarer, weshalb es sich durchaus lohnen kann, sehr ins Detail zu gehen, um alle davon mitzunehmen. Demensprechend sollte man sich hierbei auf mehrere Ebenen fokussieren, um ein großes Ganzes zu erschaffen:
- Altbekannt, beliebt und funktionell ist regionales Sponsoring. Das kann ein Werbebanner am Rande des örtlichen Fußballplatzes ebenso sein wie Trikots für ein Sportteam, die Stiftung eines öffentlichen Gutes (z. B. eine Sitzbank) oder ein Sozialraum für die Freiwillige Feuerwehr. Der Vorteil dabei ist, dass die Zielgruppe solches Sponsoring oftmals als weit mehr wahrnimmt, nämlich als karitative Handlung.
- Auch auf den eigentlich globalen sozialen Netzwerken wird Regionalität gepflegt. Kaum ein Ort, der nicht eine eigene Facebook-Gruppe hat. Hier bietet es sich an, einfach und niedrigschwellig über lokale Ereignisse und mit Lokalkolorit zu punkten – etwa durch Kommentieren oder das Posten entsprechender Fotos.
- Radio ist nach wie vor enorm regional. Selbst überregional operierende Sender haben oftmals ein regional angepasstes Spartenprogramm. Vor allem bei den Privatsendern geht es häufig gar Landkreis-spezifisch zu. Hier Werbespots zu schalten, die dennoch eine große Zielgruppe erreichen, ist relativ günstig. Zudem ermöglicht es auch den Einsatz der schärfsten Schwerter regionaler Identität, des Dialekts.
- Regionalfernsehen bietet nicht nur eine sehr gute Plattform. Die Aufstellung der meisten Sender erlaubt auch sehr vielfältige Werbemaßnahmen, die über den reinen Spot im Werbeblock weit hinausgehen und sich bis auf das Sponsern ganzer Sendungen erstrecken.
- Kaum ein Ort kommt ohne eine Lokalzeitung, ein Anzeigenblatt und dergleichen aus. Von allen Varianten der Printwerbung dürfte diese die mit den geringsten Streuverlusten sein – und im Falle kostenlos verteilter Blätter sogar mit einer Reichweite, die 1:1 der Einwohnerzahl entspricht.
Der große Vorteil der Regionalität ist dabei, dass man auf breiter Front agieren kann, ohne dass die Kosten ausufern. Da eine Region verhältnismäßig klein ist, bleibt das nötige Budget überschaubar.
Fazit
Regionales Marketing ist die Rückbesinnung und Anerkennung heimatlicher Werte. Damit ist es in der heutigen globalisierten Welt zu einem wichtigen Faktor geworden und verleiht einer Marke Einzigartigkeit und die Möglichkeit, auf vielen verschiedenen Wegen zu werben. Damit das allerdings gelingt, muss das Marketing „echt“ sein und die Region detailliert ansprechen – und nicht bloß oberflächlich.
Artikelbild: Martin Mummel/GRVTY
Besten Dank dafür, dass das Thema Regionalität in der Kommunikation aufgenommen wurde. Einige Aspekte würde ich anders gewichten als Sabine Wegener. Ein Paradigma, dass Menschen per se zu „ihrer“ Region stehen könnte ein Trugschluss sein, wenn dieser Aspekt auf einen bestimmten Raum/ein Siedlungsumfeld abhebt. So antworten in einer Statista Erhebung aus dem Jahr 2017 nur 15%, dass sie mit Heimat ihren Geburtsort resp. weitere 15% mit ihrem Wohnort verbinden. Vielmehr ist es die eigene Familie (45%) die mit Heimat verbunden wird. Demnach wäre eher von „Think globally – act familiy“ der passende Ausdruck oder da wo meine Familie ist, das ist für mich meine Heimatregion.
Das ein regionales Marketing an sich emotional wäre sehe ich ebenfalls kritisch. Das Thema bestimmt die Emotionalität weitaus deutlicher. Auch wäre hier die Situation der avisierten Zielgruppe/Persona sicherlich zu beachten, wenn es um die Einschätzung von emotionaler Wirkung geht.
Viel eher sehe ich ebenfalls mit Regionalität ein Begriff wie Stabilität verbunden. Zumeist sind die regionalen Gegebenheiten deutlich weniger komplex in ihren Zusammenhängen (nicht überall wird gleich ein atomarer Entsorgungspark geplant) und damit erscheinen sie für die Community vor Ort eher beherrschbar.
Warum sich im regionalen Marketing eine scharfe Abgrenzung zur (überregionalen?) Konkurrenz ergibt und damit eine Einzigartigkeit darstellt erschließt sich mir aus dem Beitrag nicht.
Das regionale Faktoren in einer Marketingstrategie starke Wirkungskräfte entfalten können sehe ich ebenfalls. Wie schon oben angedeutet ist/sind die Zielgruppe/die avisierten Personas regional in weniger komplexen Zusammenhängen abholbar. Es gibt erlebbare Berührungspunkte für beide Seiten – Konsumenten und kommunizierende Unternehmen.
Auch ökologische Faktoren wie kurze Lieferketten oder Erhalt des umgebenden Naturraums sind starke Argumente in der regionalen Kommunikation. Auch die Stärkung des regionalen Wirtschaftsraumes oder die Sicherung von Arbeitsplätzen können als implizite Wirkungsfaktoren eingerechnet werden. Vorsicht ist geboten nicht in übliche Klischees regionaler Kommunikation zu rutschen. Wie so oft ist hier das Schlüsselwort „Authentizität“. Auch in regionaler Kommunikation lässt sich die Zielgruppe schnell verprellen, wenn sich die Kommunikation als aufgesetzt und „gespielt“ erweist.