Was früher eindeutig war, ist jetzt vielfältig: Die Bewerberreise im Personalmarketing
Früher war alles einfacher, klagt der Geschäftsführer des mittelständischen Maschinenbauers in der strukturschwachen Region: „Es gab genug qualifizierte Bewerber auf allen Ebenen. Egal ob Ingenieur, Meister, kaufmännische oder gewerbliche Angestellte. Sie haben uns die Bude eingerannt.“ Jetzt ist die Situation anders. Der Maschinenbauer sucht händeringend nach den richtigen Leuten.
Aber was hat sich verändert?
Gründe für fehlende Bewerbungen
Zwei Gründe sind zu nennen: zum einen der demografische Wandel, zum anderen die neuen Kommunikationsgewohnheiten. Immer weniger junge Menschen drängen in den Arbeitsmarkt, der Wettbewerb um die qualifizierten Arbeitskräfte zwischen den Unternehmen nimmt damit zu. Absolventen von Universitäten, aber auch mit einfachen Schulabschlüssen sind zudem mobiler geworden. Sie suchen sich die attraktiven Standorte aus, wo sie gerne arbeiten möchten.
In der Kommunikation kommt dazu ein weiterer Aspekt zum Tragen. Zu Wort kommt wieder der Maschinenbauer: „Früher haben wir eine Stellenanzeige in unserer Regionalzeitung geschaltet. Dann hatten wir einen Haufen Bewerbungsmappen auf dem Tisch und dabei richtig gute Leute. Jetzt erhalten wir nur noch wenige Bewerbungen und meist nicht ausreichend qualifiziert.“
Kommunikation wird vielfältig
Was den Personalleiter vielleicht überrascht, ist für uns Marketing- und PR-Fachleute eindeutig: Es gibt nicht mehr nur einen Kommunikationskanal, sondern eine unübersichtliche Vielzahl.
Das Konzept der Bewerberreise greift diese Herausforderung auf. Arbeitgeber dürfen sich nicht nur auf einen Kommunikationskanal verlassen, sondern müssen eine Vielzahl von Kontaktpunkten bieten.
Bewerberreise ist individuell
Das ursprünglich lineare Verfahren vom Bewerber über die Stellenanzeige zum Vorstellungsgespräch funktioniert in Zeiten der heutigen kommunikativen Möglichkeiten nicht mehr. Potenzielle Bewerber kommunizieren heute anders und erwarten zudem „ihre“ Möglichkeit, sich über ein Unternehmen zu informieren. Zu den Kontaktpunkten zählen Social Media, Multimedia, Karrieremessen, Hochschulkooperationen, Schul-Karriere-Tage, Stellenanzeigen etc.
Dabei gilt: Der Kommunikationskanal für die eine Zielgruppe kann für die andere völlig irrelevant sein. Daher müssen Personalverantwortliche ihre Kommunikation gewichten. Der Schwerpunkt liegt da, wo sich die Kernzielgruppe am stärksten informiert.
Heimathafen: Recruiting-Website
Unbenommen bleibt jedoch der Heimathafen des Personalmarketings: Die Recruiting-Website. Alle Kontaktpunkte – Broschüren, Messen, Social Media etc. – verweisen auf die Recruiting-Website. Diese ist fester Bestandteil und unterliegt bestimmten Herausforderungen. Neben der mobilen Ansicht – die noch immer vergessen wird – ist es auch die Conversion Optimization, die zum Erfolg führt: „Wie kann der Bewerber auf einfache Weise seine Unterlagen einreichen oder weitere Informationen erhalten?“
Investition wird zielgenauer
Durch den Ansatz der Bewerberreise, zielgruppengerecht potenzielle Mitarbeiter anzusprechen, werden die Mittel effizienter eingesetzt. Die genannte Anzeige in der Regionalzeitung kostet circa 5.000 EUR. Und sie wird nur einmal im Print-Bereich, vielleicht darüber hinaus im Online-Bereich geschaltet. Mit diesem Budget lassen sich aber nachhaltigere Maßnahmen finanzieren. Ein Beispiel wären Facebook-Werbung oder Google Adwords für die Recruiting-Website. Eine Kampagne im Radio liegt für einen Monat (je nach Parametern) auch bei ca. 5.000 EUR.
Neue Wege in der Kommunikation gehen
Arbeitgeber sind gefordert, ihre aktuelle Bewerberkommunikation zu überprüfen, wenn sie am Arbeitsmarkt bestehen wollen. Bewerber müssen eine Vielzahl von Kontaktpunkten erhalten, um eine Beziehung zu dem Arbeitgeber aufzubauen. So bildet das Unternehmen ein Reservoir an potentiellen Mitarbeitern, die sich auch in späteren Karrierephasen bewerben können.
Erstrebenswert für die Bewerberreise ist eine ganzheitliche Employer-Branding-Strategie, die die einzelnen Ziele des Personalmarketings definiert. Daraus lassen sich die Schwerpunkte für die unterschiedlichen Bewerberzielgruppen festlegen. Je nach Alter, Karrierephase, Abschluss, Geschlecht, Milieu und Region kommen so unterschiedliche Kommunikationskanäle zum Einsatz.
Ceterum censeo: Die Bewerberreise bietet für Marketing- und PR-Fachleute ein neues Tätigkeitsfeld. Sie können mit ihrer Expertise die Personalabteilungen unterstützen, die richtigen Instrumente auszuwählen und einzusetzen.
Hallo Herr Scheidtweiler,
der Artikel beschreibt sehr gut, wie sich das Bewerben verändert hat und digital geworden ist. Eigentlich ist es ja für beide Seiten einfacher geworden. Eine Firma kann auf ihrer Website eine Seite mit Stellenangeboten einrichten und direkt die Möglichkeit für eine Bewerbung bieten. Es gibt diverse Portale, wo Stellen eingestellt werden können, soziale Netzwerke wie XING und LinkedIn in denen Kandidaten und Jobs gesucht werden können. Beide Seiten können im Internet sowohl Stellen als auch Kandidaten finden. Der Vergleich mit PR und Marketing passt.
Viele Grüße
Claudia Dieterle
Danke für das Feedback. In einer unserer letzten Veranstaltungen mit Personalmanagern wurde sehr deutlich, dass HR-Abteilungen unbedingt Marketing-Kompetenz ausbilden müssen. Die Diskussion hat gezeigt, dass Personaler selbst dringenden Bedarf sehen. Für uns Kommunikatoren ist das eine spannende Chance.
Ja, auf jeden Fall! Wichtiger Punkt. Und ich gehe noch weiter: Es beginnt das Zeitalter symbiotischer Kommunikation. Die Grenzen verfließen und in dem Unternehmen von morgen ergänzen sich bestmöglich alle Kompetenzen der Vermarktung. Es wird nicht mehr miteinander gearbeitet, sondern zusammen. Nach innen und außen. Hochprofessionell.
Hallo Herr Scheidtweiler,
vielen Dank für diesen wertvollen Beitrag. Ich teile Ihre Meinung. Meine aktuelle Stelle habe ich über XING gefunden. Für mich als digital native spielt es eine große Rolle ob das Unternehmen auch im Social Web vertreten ist und wie viele Informationen ich auf einer Website oder einem Blog finde. Ich recherchiere im Vorfeld online und wenn ich keine symphatischen, tranparenten Informationen finde, ist das Unternehmen nicht interessant für mich. Ich denke das der Bereich Online-Personalmarketing viel Zukunftspotential hat noch weiter ausgebaut werden sollte – gerne von Menschen mit Marketing- und PR-Kenntnissen.
Frühlingshafte Grüße
Alena Kotter
Jo. Und wieder einer, der einfach keine Lust hat Akteur zu bleiben. Aber nachher rumjammern. Und ne Menge Geld verbrennen. Von der verlorenen Zeit ganz abgesehen.
Kommentar musste entfernt werden
Meine Erfahrung zeigt, dass Personalbereiche sehr konservativ sind. Konservativer als Marketing. Damit bohren wir mit Employer Branding now ein dickeres Brett, wenn es um innovative Instrumente geht. Allerdings steht die Wahl der Instrumente erst am Ende unseres Prozesses. So haben wir die Chance, uns das notwendige Vertrauen zu erarbeiten.