Interne Krisenkommunikation: So sollte dein Unternehmen im Ernstfall agieren
Eine Krise kommt fast immer unerwartet: Ein einzelner unbedachter Tweet, eine unglücklich formulierte Pressemitteilung oder politische Wendungen mit massivem Einfluss auf das eigene Unternehmen – in unserer schnelllebigen Zeit kann eine kleine Meldung innerhalb von Minuten zu einer richtig großen Sache werden. Darum ist es für Unternehmen wichtig, einen klaren Ablaufplan zu haben. Der muss festlegen, was im Fall einer Krise zu tun ist, wer im Krisenfall wen informiert und wie die Krisenkommunikation intern und extern ablaufen sollte. Ein Krisenhandbuch muss also her.
Bis zu diesem Punkt sind sich viele Unternehmen einig. Aber wie sieht es im Krisenfall mit der internen Kommunikation aus? Nein, ich meine nicht die Abstimmung und Struktur des Krisenteams, sondern die Kommunikation gegenüber den eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Schon einmal darüber nachgedacht? Ich schon.
Der erste Schritt der Krisenkommunikation: Analysieren, was ist
Egal, was passiert: Zuerst sollten wir Kommunikatoren herausfinden, ob es sich überhaupt um eine echte Krise handelt oder nicht. Nach meiner Erfahrung wird aus so mancher Mücke – besonders intern – schnell ein riesiger Elefant gemacht. Was zeichnet eine “echte” Krise also aus?
Definitionen für Krisen gibt es viele. Je nachdem, aus welcher Perspektive man sie betrachtet und für wen diese ausgerufen wird. Bleiben wir in der Unternehmenskommunikation: Fakt ist, dass ein kritischer Kommentar eines enttäuschten Kunden auf Facebook noch lange keine Krise ist. Dennoch sollten Kritiken sowie kritische Themen sorgsam beobachtet werden.
Krisen lassen sich grundsätzlich an folgenden Merkmalen erkennen (wobei nicht immer alle zutreffen müssen):
- Auslöser ist eine außergewöhnliche Situation, die ungeplant, ungewollt und überraschend eintritt.
- Der Verlauf der Krise lässt sich nicht steuern. Sie verläuft dynamisch und ohne festes Schema.
- Eine Krise hat einen offenen Ausgang und ist in ihrem Ausmaß und ihren Folgen kaum überschaubar.
- Krisen haben einen komplexen Hintergrund, auch wenn ein dezidierter Auslöser festgestellt werden kann.
- Krisensituationen stellen für das Unternehmen, die MitarbeiterInnen und/oder Kundinnen und Kunden eine tatsächliche Gefahr dar – existenziell und/oder finanziell.
- Eine Krise stößt immer auf reges Interesse der Öffentlichkeit.
- Eine Krise kann immer einen massiven Imageschaden für das Unternehmen mit sich bringen, egal wie gut oder schlecht die Kommunikation geregelt wird.
- Eine Krise ist zeitlich befristet, auch wenn das Ende nicht absehbar ist.
Mit Krisen umgehen, aber richtig
Ist die Krise erkannt, gilt es, kommunikativ richtig mit ihr umzugehen. Die wichtigsten Faktoren zur sinnvollen Einschätzung und Bewältigung einer Krise sind Ruhe, Struktur und eine einheitliche, empathische Kommunikation nach außen und nach innen.
“Das Ziel der UK [= Unternehmenskommunikation] in einer solchen Situation besteht darin, zu verhindern, dass aus einer Krise in der Sache auch noch eine Krise der Kommunikation wird, und damit die Nachteile für das Unternehmen noch weiter vergrößert werden.”
(Siegfried Schick, 2014: Interne Unternehmenskommunikation, S. 117. Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart)
In der Ruhe liegt die Kraft
Je ruhiger du die Krisensituation angehst, desto größer ist deine Chance, die Krise positiv zu meistern. Du solltest also immer gefasst bleiben, aber definitiv nicht alles auf die leichte Schulter nehmen. Eine Prise Humor und Selbstironie kann bei kommunikativen “Hoppalas” wahre Wunder wirken, bei echten Krisen sind lustige Äußerungen hingegen unangebracht.
Darüber hinaus ist die Möglichkeit zum geordneten Vorgehen vertan, sobald ein Teil des Krisenteams die Nerven verliert und ohne Absprachen agiert. Deshalb sollten die Mitglieder des Krisenteams auch immer gut gewählt sein, was uns zum zweiten Punkt bringt.
Strukturen schaffen, Strukturen sichern
Idealerweise steht noch vor der ersten echten Krise die notwendige Struktur, um sie zu meistern: ein Krisenplan und ein Krisenteam. Wie du solche Strukturen schaffst, kannst du in diesem übersichtlichen Artikel im UPLOAD Magazin nachlesen.
Einheitlich und empathisch kommunizieren
Was für die “normale” Unternehmenskommunikation gilt, sollte gerade auch für den Krisenfall beibehalten werden: Wir müssen mit unseren Dialoggruppen geschlossen und einfühlsam kommunizieren. Was hier aber oftmals vergessen wird und auch selten seinen Weg in den Krisenplan findet, ist die Kommunikation ins Innere des Unternehmens, also zu den eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Die Bedeutung von Kommunikation und Unternehmenskultur
Die meisten schlechten Nachrichten kommen heute via Internet und Social Media herein – und zwar viel schneller, als es die unternehmenseigene Kommunikationsabteilung schafft, darauf adäquat zu reagieren. Das betrifft natürlich auch Mitarbeiter und führt nicht selten zu tiefen Kratzern in der Unternehmenskultur: Mutmaßungen, Unsicherheiten, Gerüchte. Je geringer das Vertrauen zueinander, desto fruchtbarer ist der Boden für schlechte Stimmung im Unternehmen selbst.
Warum das ein Problem ist? Weil eine positive Unternehmenskultur einer der wichtigsten Faktoren für erfolgreiche Unternehmen ist.
Der direkte Zusammenhang von Unternehmenskultur und wirtschaftlichem Erfolg lässt sich in Studien erfassen, aber auch mit dem bloßen Auge erkennen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die motiviert sind, gerne zur Arbeit gehen und im Job Wertschätzung erfahren, leisten freiwillig mehr und bessere Arbeit. Wirklich herausragende Unternehmen haben meist auch eine starke Unternehmenskultur, die das „Wir-Gefühl“ aktiv lebt. Kaum ein Element prägt das Wir-Gefühl mehr als die Sprache und der Sprachstil, der im Unternehmen gepflegt wird. Das gilt für die alltägliche Unternehmenskommunikation genauso wie für die interne Kommunikation in der Krise.
Eine Zusammenfassung zum Thema interne Kommunikation habe ich bereits in einem Beitrag zur erfolgreichen internen Kommunikation gebracht. Melanie Biskup erklärt in ihrem Zielbar-Artikel, wie die interne Kommunikation den Kulturwandel im Unternehmen vorantreibt.
Aktive Krisenkommunikation nach innen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verdienen also eine wertschätzende und zeitnahe Kommunikation – auch im Fall einer Krise. Was bedeutet das konkret?
Der einzelne Mitarbeitende muss nicht alle Details der Krisensituation kennen, außer, sie betreffen die persönliche Sicherheit. Verfügt dein Unternehmen aber über einen schnellen Kommunikationskanal (z. B. Intranet, Messenger, o. Ä.), mit dem du auch alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erreichst, solltest du rasch nach Ausbruch der Krise mit einer Meldung Gerüchten und Mutmaßungen vorbeugen. Die Meldung sollte beruhigend und klärend wirken, sachlich sein und zeigen, dass die Unternehmensführung bereits an einer Lösung arbeitet.
Damit ist es aber mit der internen Krisenkommunikation nicht getan. Eine Nachricht ist keine Nachricht! Halt deine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer auf dem Laufenden – zeitgleich und im selben Takt wie externe Berichterstatter. Auch wenn es hektisch ist: Die interne Krisenkommunikation verdient dieselbe Aufmerksamkeit, wie die externe Kommunikation in der Krise.
Gibt es Grenzen der internen Krisenkommunikation?
Jein. Pauschal ist diese Frage schwer zu beantworten. Aber folgende Punkte solltest du bei der internen Krisenkommunikation immer beachten:
- Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen dieselben Informationen erhalten wie Externe – und das zeitgleich.
- Alle Mitarbeitenden soll jene Information zukommen, die für sie relevant ist. Das heißt, alles, was nach außen geht, muss auch nach innen kommuniziert werden.
- Informationen, die keinesfalls nach außen gehen dürfen, sollten auch intern nicht an alle kommuniziert werden. Informationen, die zu früh verbreitet werden, können in einer Krise mehr Schaden als Nutzen anrichten.
- Das Krisenteam muss als einzige Instanz in einer Krise stets über alles Bescheid wissen.
- Das Kommunikationsteam muss nach intern und extern glaubhaft vermitteln, dass man sich der komplexen Lage bewusst ist und keine einfachen und raschen Antworten möglich sind.
- Auch wenn man nicht immer alles sofort sagen kann, sollte man auch nach innen niemals lügen und Interpretationsmöglichkeiten keinen Raum lassen.
- Tauchen intern Fragen auf, sollten man diesen Aufmerksamkeit schenken und rasch beantworten.
- Im Krisenfall sollte Mitarbeitenden ein direkter Ansprechpartner oder zumindest ein direkten Kommunikationskanal zur Verfügung gestellt werden.
Auch intern nicht ohne Krisenplan handeln
Krisenkommunikation bringt Unternehmen an ihr Limit. Gleichzeitig ist sie eine Chance, an schwierigen Situationen zu wachsen. Jede überstandene Krise stärkt das Unternehmen gegen mögliche weitere Zwischenfälle in der Zukunft und das gilt vor allem in der internen Kommunikation. Neben der Sprache sind gemeinsam überstandene Krisen ein weiterer starker “Kleber” der Unternehmenskultur.
Das A und O der internen Krisenkommunikation ist demnach:
- eine empathische und kontinuierliche Informationsweitergabe über das Geschehen
- eine verstärkte interne Kommunikation, unter Führungskräften und gegenüber Mitarbeitenden
- eine klare Abstimmung zwischen interner und externer Kommunikation
- Kommunikation, die die sachliche und emotionale Ebene beherzigt
- Ruhe
- ein Krisenplan
- eine interne Krisen-Ansprechperson
Auf diesen Art kann aus einer Unternehmenskrise intern eine starke Bindung entstehen.
Fazit: Interne Kommunikation kann einfach mehr
Krisenkommunikation ist und bleibt für alle Unternehmen eine große Herausforderung, egal wie digitalisiert, groß oder agil sie auch sind. Denn kaum ein anderer Bereich der PR ist so facettenreich, unberechenbar und prägend.
Wer beim Lesen dieses Beitrags zum ersten Mal über interne Krisenkommunikation nachgedacht hat, dem möchte ich vor allem eines ans Herz legen: das enorme Potenzial, das in der internen Kommunikation für Unternehmen liegt. Keine andere Zielgruppe wird von Unternehmen so ausgeblendet wie die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Die Frage ist nur: Willst du denselben Fehler machen oder dieses Potenzial aktiv nutzen?
Artikelbild: Martin Mummel/GRVTY
Aus eigener Erfahrung muss ich sagen, dass ein Shitstormtraining für Mitarbeiter eine sehr gute, prophylaktische Investition ist.
Und in den Ordner mit dem Notfallplan gehört neben anderen wichtigen, externen Verlinkungen auf jeden Fall ein stets aktueller Flyer vom 24h-Stunden-Lieferanten ;-).
Lieber Clemens, danke für deine praxisnahe Ergänzungen. Da kann ich nur zustimmen!