Google ist nicht tot! Wo geht die Reise hin?

Google+ ist nicht tot. Google+ ist anders!

Und täglich grüßt das Murmeltier. Seit Kurzem ist es wieder aktiv: Google+ ist tot – hoch lebe Google+. Das Nagetier wurde schon in seinem ersten Lebensjahr 2011 laut. Nun ist es schon fast vier Jahre alt und gibt wie seine Vorfahren keine Ruhe mehr. Elvis kennt es nicht mehr, denn es lebt im digitalen Zeitalter. Technologie zeichnet seinen Alltag.

Was löst diese Diskussionen über Google+ eigentlich immer aus? Hauptsächlich unerwartete Veränderungen. Dieses Jahr ist es die Trennung von anderen Diensten. Wirklich unerwartet? Ein Anzeichen für das langsame Ende von Googles sozialem Netzwerk? Versteh ich nicht. Oder sind es die vielen Nutzer, die Google+ den Rücken kehren? Warum tun sie das denn?

Seit 1999 beschäftige ich mich nun mit dem Unternehmen Google. Ich mag dessen Kultur und die Philosophie, die nicht nur über die zehn Grundsätze nach außen transportiert werden. Vom Börsengang über zahlreiche Zukäufe von Unternehmen bis hin zu den Reaktionen auf Markteinflüsse und Politik habe ich auch die wirtschaftlichen Aspekte im Blick.

Wie die Gründer finde ich es faszinierend, was man mit Algorithmen nicht nur in der Theorie alles machen kann. Bei Google+ bin ich seit Anfang an dabei. Ich denke, das sollte neben meinen Beobachtungen und meiner Teilnahme an Marktveränderungen genügen, um einen Versuch zu starten, hier einige Fragen zu beantworten. Eine Mischung aus Fakten, Erkenntnissen und Meinung.

Warum entscheiden sich Menschen gegen Google+?

Wenn ich den Satz „Google+ ist tot“ lese, stammt dieser oftmals von Autoren, die diesen Dienst mit einem sozialen Netzwerk wie Facebook vergleichen. Diese Vergleiche basieren auf den Eigenschaften von Facebook. Im Fokus steht häufig die Höhe der Reichweite. Mit diesem Thema beschäftigen sich Online-Marketer, Journalisten und Personen, die in der Öffentlichkeit stehen und mit ihren Inhalten eine große Zielgruppe erreichen wollen. Wenn über die Aktivitäten bei Facebook Ziele erreicht werden, warum nicht? Muss man aber dann pauschal ein Netzwerk für alle tot erklären? Bestimmt nicht. Solche Meldungen lassen jedoch immer eine hohe Reichweite für sich selbst erhoffen. Kontroverse Artikel, aufbauend auf aktuellen Veränderungen tragen erheblich zur Verunsicherung bei. Wenn dann noch andere darauf aufspringen und diese Aussagen unterstützen, entscheidet man sich gegen Google+. Der Einfluss mancher Menschen ist so enorm, dass es vielen schwerfällt, selbst mal einigen Dingen auf den Grund zu gehen. Leider liegt diese Bequemlichkeit in der menschlichen Natur.

Auf einen passenden Artikel dazu bin ich erst kürzlich über das UPLOAD-Magazin gestoßen. Anknüpfend an meine Behauptung zitiere ich an dieser Stelle den Satz, den Jan Tißler ins Deutsche übersetzt hat: „Posten mehrere der stark vernetzten Nutzer einen Inhalt, erscheint es für die anderen so, als sei er bereits weit verbreitet.“ Bereits diese Aussage sollte uns zu denken geben.

Zwei Beispiele aus dem deutschsprachigen Raum zur aktuellen Thematik „Google+“, auf die ich hier in der Reihenfolge, wie sie erschienen sind, kurz eingehen möchte:

Google+: Das beste und tollste Social Network der Welt?

Ich habe mich gefreut, als ich den Artikel bei mobilegeeks.de gelesen habe. Es wundert mich kaum, dass dieser aus der Feder von Bernd Rubel stammt. Wie ich zählt er zu den Nutzern, die Google+ und die Kommunikation darüber verstanden haben und sehr zu schätzen wissen. Für seinen Titel „Warum Google+ das beste und tollste Social Network der Welt ist“ muss er sich – wie er selbst anmerkt – nicht schämen. Aus meiner Sicht alles richtig gemacht, damit sein Beitrag auch die erforderliche Aufmerksamkeit bekommt.

Google+: Das sterbende Netzwerk?

Dass die Diskussion über das „Aus“ von Googles Netzwerk nicht zu Ende ist, zeigt die Reaktion von Klaus Eck. Der Beitrag des von mir sehr geschätzten Experten trägt den Titel „Der langsame Abschied von Google+“. Zugegeben, hierüber war ich ein bisschen enttäuscht. Trotz einiger klarer Fakten finde ich Aussagen wie „Die ersten Reaktionen auf die Veränderungen bei Google+ sind auf Facebook und Twitter eher positiv.“ nicht maßgeblich und den Satz „Letztlich wird Google+ jetzt noch unwichtiger für das Social Business.“ etwas kurzsichtig. Andererseits laden genau diese Sätze zu weiteren Diskussionen ein. Auch der Veröffentlichungszeitpunkt des Artikels ist ein guter Schachzug, um aus PR-Sicht auf eine sich erneut anbahnende Welle aufzuspringen.

Meiner Wahrnehmung nach erlangt die Kernaussage „Google+ stirbt“ eine höhere Reichweite als ein Weckruf, dass Google+ anders ist. Die Gründe sind sehr vielfältig. Allen voran jedoch die „Mitläufer“, von denen es bei Facebook entscheidend mehr geben sollte.

Warum gibt es eine Trennung bei den Google-Diensten?

Google hat erkannt, dass man die breite Masse für ihr Netzwerk nicht begeistern kann. Für Social Media Marketing und PR im großen Stil mit einer Reichweite, wie sie Facebook bietet, ist Google+ für viele nicht die erste Wahl. Wenn überhaupt. Die Entkoppelung der Dienste stellt nicht zuletzt eine Lösung hinsichtlich der Anschuldigungen der EU-Kommission dar, dass Google seine Monopolstellung missbraucht und sich hierbei Wettbewerbsvorteile verschafft. Aus meiner Sicht sind dies berechtigte Vorwürfe. Ob dies von Google so beabsichtigt ist oder eher unbewusst passiert, sei dahingestellt. Viel gravierender für das Unternehmen sind die Chancen, die sich durch die Trennung ergeben. Diese Entkoppelung verschafft Google die Möglichkeit, einzelne Angebote für die jeweiligen Zielgruppen optimal auszurichten.

Wie wichtig die Konzentration einzelner Geschäftsfelder für die Unternehmensführung von Google ist, zeigt die bevorstehende Umstrukturierung. Es wurde eine Holding mit dem Namen „Alphabet“ gegründet, die Webaktivitäten von den sonstigen Geschäften trennen soll. Mit den Worten „G is for Google“ beginnt Google-Mitbegründer und CEO Larry Page die offizielle Meldung auf der Investor-Relations-Website. Google wird dabei zu einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft von Alphabet.

Wieso wird das Google+-Team verkleinert?

Durch den Rückgang der Werbeeinnahmen ist Google gezwungen, zunächst Ausgaben zu minimieren. Wie in jedem Unternehmen zählen Personalkosten zu den größten Faktoren der Wirtschaftlichkeit. Laut dem 2. Quartalsbericht 2015 betrug die Gesamtanzahl der Mitarbeiter etwa 57.000. Dies sind 1.700 Mitarbeiter mehr als im vorherigen Quartal. Einen Personalabbau gab es so gesehen also nicht. Jedoch ist eine Umstrukturierung erforderlich, um Ressourcen dort zu platzieren, wo Umsätze zu erwarten sind. Google+ sorgt im Gegensatz zu anderen Sparten nicht unmittelbar für die Lösung des Problems. Hier gibt es weitaus höheres Umsatzpotenzial, beispielsweise bei dem im Januar 2014 übernommenen Unternehmen Nest, zu dessen Kerngeschäft die Herstellung lernfähiger Thermostate für den Heimgebrauch zählt. Wie unter anderem das IT-Magazin golem.de berichtete, legt mittlerweile das oberste Management von Google fest, welche Bereiche neue Mitarbeiter ins Team holen dürfen. Zuvor konnte dies von jedem Google-Team selbst entschieden werden.

Sicherlich kann es eine unternehmenspolitische Entscheidung sein, das Google+-Team nicht noch mehr zu verkleinern. Dass dies Panik auslösen kann, wodurch noch mehr Nutzer dazu geneigt sind, zu Facebook überzuwechseln, zeigt der aktuelle Sparkurs. Ich gehe davon aus, dass man sich nach der Erholung auch wieder verstärkt um Google+ kümmern wird. Denn in Verbindung mit anderen Diensten hat das Netzwerk hohes Wachstumspotenzial.

Wohin geht die Reise mit Google+?

Bei der agilen Vorgehensweise von Google ist dies eine nicht leicht zu beantwortende Frage. Fakt ist: Google+ ist nicht Facebook! Dafür sind die Unterschiede einfach zu groß. Nicht nur auf der Unternehmensebene. Und doch gibt es viele Anzeichen, die eine Richtung erkennen lassen.

Richtungsweisende Veränderungen

In letzter Zeit sind Funktionen weggefallen, was auf eine Neuausrichtung von Google+ deuten lässt. Ich selbst war sehr euphorisch, als ich in meinem Artikel im Oktober 2014 über die Möglichkeit geschrieben hatte, wie man über AdWords auf Google+- Beiträge außerhalb des Netzwerks aufmerksam machen kann bzw. konnte. Wenige Monate später ging dieser Prozess noch einfacher direkt über Beiträge einer Google+-Seite, die die Mindestanforderungen erfüllten. Im Mai 2015 gab es dann ein Update, welches eine neue Funktion namens „Sammlungen“ zum Vorschein brachte. Im Zuge dessen verschwand fast unbemerkt der erst kürzlich eingeführte Link zur Bewerbung eines Beitrags aus Google+ heraus. Okay, dachte ich: Google hat erkannt, dass diese Funktion kaum verwendet wird. Überrascht war ich allerdings, als ich auch über AdWords keine Möglichkeit mehr fand, Google+-Beiträge zu bewerben.

Zum aktuellen Zeitpunkt wird unter dem Namen „Google+ Brands“ (noch) auf der Unterseite „Aufmerksamkeit wecken“ im unteren Bereich auf die Möglichkeit „Anzeigen aus Google+ Beiträgen“ hingewiesen. Allerdings funktioniert der weiterführende Link derzeit nicht. Vom Wortlaut „+post ads“ keine Spur mehr. Die Richtung wird deutlich. Von Hangouts On Air ist die Rede und ganz viel YouTube. Was einleuchtet. Aber das ist ein anderes Thema.

Dass die +post ads kurzerhand wieder verschwunden sind, kann nur zwei Gründe haben. Entweder ist der Markt schlicht und ergreifend nicht vorhanden – vielleicht ist dieses Format auch zu früh für die breite Masse. Was ich jedoch eher vermute, ist, dass Google nicht mehr Facebook hinterherjagen will. Zumal diese Richtung aus meiner Sicht auch nicht so recht zu Google gepasst hat. Google+ war eine aus der Not geborene Lösung. Eine spontane Entscheidung einzig mit dem Ziel, wieder Nutzer für sich zu gewinnen.

Entscheidende Eigenschaften

Es gibt gravierende Merkmale, die dieses Netzwerk von Facebook unterscheiden. Es sind die Menschen, die darüber kommunizieren – oder vielmehr: sich anders verhalten als bei Facebook. Die Kommunikation über Google+ läuft langsamer als der rasante Austausch über Facebook. So zumindest in meinen Kreisen. Während auf letzterer Plattform schnell reagiert werden muss, um niemanden zu verärgern, ist es nicht unüblich, bei Google+ mal einige Tage später erst Reaktionen zu bekommen. Oftmals erwartet man dies auch nicht. Vergessen sollte man jedoch auch hier niemanden.

Google+ wirkt auf mich nicht so verspielt wie Facebook. So selten wie ich mich bei Facebook anmelde, habe ich fast immer eine Fehlermeldung oder Probleme, irgendwelche Bereiche anzusteuern. Hundertprozentig fehlerfrei ist auch Google+ nicht. Macht aber einen weitaus stabileren Eindruck auf mich.

Bringe ich die Kommunikationsgeschwindigkeit mit der erwähnten Stabilität in Verbindung und würze dies noch mit dem Gedanken an die eher schleichende Kommunikation, die in Unternehmen im Verhältnis zum privaten Austausch stattfindet, richtet sich mein Blick auf eine gänzlich andere Zielgruppe. Um den Bogen nicht noch weiter zu spannen, behaupte ich jetzt einfach mal:

Google+ wird Teil des größten Unternehmensnetzwerks der WeltTWEET

Warum ein Teil? Weil viele Dienste bereits vorhanden sind. Immer mehr Unternehmen arbeiten im Team nicht mehr gemeinsam am gleichen Ort.

Hervorragende Tools für die Zusammenarbeit konnte Google schon immer entwickeln. Bestes Beispiel sind die Google Docs, über die man gemeinsam an Dokumenten arbeiten kann.

Der aus Datenschutzgründen einst heißdiskutierte E-Mail-Dienst Gmail wird mittlerweile auch von größeren Unternehmen genutzt.

Aber auch Google+ selbst bietet einige Möglichkeiten.

Die Communities in Google+ eignen sich hervorragend für den Austausch in geschlossenen Gruppen. Wir selbst machen innerhalb unseres ZIELBAR-Teams regen Gebrauch davon. Viele Unternehmen nutzen diese für die Kommunikation mit ihren Kunden.

Im Mai 2015 sind die bereits oben erwähnten Sammlungen hinzugekommen. Eine Funktion, über die sich Beiträge besser organisieren lassen. Diese können auch einer geschlossenen Gruppe –bestimmte Kreise und/oder Personen – zur Verfügung gestellt werden. Eine Google+-Seite bietet hierfür eine zentrale Anlaufstelle für Mitarbeiter einzelner Projekte oder ganzer Unternehmen. Im Gegensatz zu den Communities sind nur Administratoren der Seite berechtigt, Sammlungen zu erstellen und Beiträge darin zu teilen. Eine schöne Funktion, die ebenfalls Potenziale erkennen lässt. Hier gibt es jedoch noch einiges seitens des Google+-Teams zu tun.

Schnittstelle für Google+

Viele möchten gerne wie bei Facebook über eine Schnittstelle Beiträge aus dem hauseigenen Intranet posten. Möglich ist dies generell nur über Google+-Seiten. Ohne Antrag läuft hier jedoch nichts. Die Schnittstelle heißt Google+ Pages API. Bis auf wenige Ausnahmen weiß ich bis heute von keiner Bestätigung eines Unternehmens, um diese Möglichkeit für sich zu nutzen.

Die Alternative dazu heißt Google+ Domains API. Hierfür benötigt man jedoch ein Google-Apps-Administrator-Konto. Ein solches Konto kann über Google Apps for Work erstellt werden. Ein zum Monatspreis ab vier Euro pro Nutzer kostenpflichtiges Produkt, welches verschiedene Dienste vereint. Unter anderem Google+.

Auch wenn es zum aktuellen Zeitpunkt nicht zu den Google-Apps-Kerndiensten gehört, ist erkennbar, dass sich hier ganz gemütlich etwas entwickelt, was weit über ein gewöhnliches Kollaborationstool, also ein Werkzeug für die Zusammenarbeit, hinausgeht. Ein soziales Netzwerk für Unternehmen, das weit mehr bietet als Lösungen für die interne Unternehmenskommunikation.

Wie gesagt: Google+ ist nicht Facebook. Tot schon gar nicht. Spätestens wenn das Murmeltier wieder wach wird, sollte es sich endlich mal ein neues Thema suchen. Zudem ist es aus meiner Sicht dringend erforderlich, Social Business neu zu definieren.

Google+ ist nicht tot. Google+ ist anders!
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Steve Naumann

Steve Naumann

Seit 1999 betreibt Steve Naumann mehrere eigene Webprojekte und entwickelt Internetplattformen im Kundenauftrag. Darüber hinaus unterstützt er über seine Agentur Visual Minds mittelständische Unternehmen bei der Realisierung strategischer Online-Marketing-Maßnahmen. Er ist Gründer und Herausgeber von Zielbar.

8 Reaktionen zu “Google+ ist nicht tot. Google+ ist anders!”

  1. Christian Müller sozial-pr

    Wer auch immer Google+ abschreibt: Außer Google weiß niemand, was aus dem Netzwerk wird. Du, Steve, bringst im Artikel eine schöne Perspektive ein. Google+ war immer anders als Facebook. Wer das nicht begreift, ist in dem Netzwerk vielleicht schlicht falsch.

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    1. Steve Naumann
      Steve Naumann

      Danke, Christian. Deine Einstellung zur aktuellen Diskussionswelle konnte ich ja bereits in deinem Artikel (http://www.sozial-pr.net/google-gelassenheit-statt-voreiliger-schluesse-kommentar/) lesen. Sehe ich genauso.

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    2. Udo Engel

      Der letzte Satz ist Gold wert. Danke.

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  2. Tina Gallinaro
    Tina Gallinaro

    Hi Steve
    Genau wie in dem Beitrag beschrieben: G+ ist NICHT Facebook und das macht es ja zu etwas Besonderem :-) Ich finde es richtig klasse, was da an Neuerungen kommt und auch weiterhin geplant ist. Vielen Dank für diesen hervorragenden Beitrag. I love it :-)

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  3. Robert Klimossek

    Der berühmte Vergleich von Äpfel und Birnen.
    Ich persönlich finde es schade, dass Google sich selbst nie zum Facebook-Konkurrenten oder eben zu keinen Konkurrenten klar geäußert hat. So haben sich die Medien das zugedichtet, was sie eben wollten.

    Übrigens ein sehr gut geschriebener und interessanter Artikel. Danke dir dafür.

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  4. Florine Calleen

    Absolut treffend und auf den Punkt!

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  5. Falco

    Ich mag dieses soziale Netzwerk und bin froh, dass es nicht dem großen F entspricht.

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  6. Steve Naumann
    Steve Naumann

    Vielen Dank für euer Feedback.

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