Digitales Marketing, der Wandel und die Frage nach der Zukunft
Wer möchte nicht gerne in die Glaskugel schauen, um zu sehen, wie die Welt des digitalen Marketings morgen aussieht? Auf was muss ich heute schon vorbereitet sein, um in Zukunft gut gerüstet zu sein? Heutzutage ändert sich so vieles in so rasanter Zeit. Ein Hype wird vom nächsten, noch größeren Hype abgelöst. Wie lange ist dieser präsent? Bleibt es eine Eintagsfliege, oder müssen wir unbedingt auf diesen Trend aufspringen?
Die Zukunft ist immer ein Produkt der Vergangenheit. Nur wer sich mit der Vergangenheit beschäftigt, kann Prognosen zur Zukunft geben. Was dabei viele vergessen, ist die Gegenwart. In meinem nachfolgenden Artikel beschäftige ich mich mit den aus meiner Sicht gravierenden Veränderungen, aktuellen Problemen und zukünftigen Herausforderungen.
Ich könnte darüber schreiben, …
… wieso Native Advertising eine Weiterentwicklung erfordert
Dieses Werbeformat, bei dem Inhalte in das redaktionelle Umfeld einer Plattform eingebunden werden, ist gefragter denn je. Klassischen Werbebannern wird das Ende vorausgesagt. Bannerblindness und Werbeblocker sorgen hier für dieses Umdenken. Zumindest aus Sicht der Werbeindustrie. Ich selbst halte den Branding-Effekt einer grafischen Anzeige immer noch für intakt, auch wenn dieser etwas nachgelassen hat. Und Werbeblockern, also Programmen, die dafür sorgen, dass Anzeigen für den Leser ausgeblendet werden, kann man technisch entgegenwirken.
Bei Native Advertising handelt es sich um ein sehr umstrittenes Werbeformat. Da die Inhalte oftmals nicht auf den ersten Blick als bezahlter Content wahrgenommen werden, muss sich dies für eine höhere Akzeptanz in der Tiefe weiterentwickeln. Als Leser werden wir uns an dieses Format gewöhnen, uns mancher Inhalte annehmen und manchen den Rücken kehren. Eine Bereicherung für alle Seiten sind Native Ads nur, wenn der Mehrwert für den Leser im Vordergrund steht, der Werbetreibende sein verfolgtes Ziel damit erreicht und der kommerzielle Aspekt transparent kommuniziert wird. Dies erfordert insbesondere aus Publisher-Sicht ein gutes Gespür für Qualität und hohes Verantwortungsbewusstsein.
… warum Influencer Marketing Regeln braucht
Um mit Inhalten eine höhere Reichweite zu erlangen und somit eine größere Zielgruppe zu erreichen, helfen gut vernetzte Multiplikatoren für den notwendigen Push. Meinungsführer sorgen hierbei für ein höheres Ansehen der eigenen Marke. Beide Influencer-Typen sind wichtig, ticken aber durchaus sehr unterschiedlich. In Anbetracht der aktuellen und zukünftigen technischen Filter, auf die ich noch eingehen werde, wird Influencer Marketing in der digitalen Welt notwendiger denn je.
Allerdings birgt falsch angewandtes Influencer Marketing auch Gefahren. Besonders dann, wenn Influencer beauftragt werden, Werbung für ein Angebot zu machen. Das schadet nicht nur der Authentizität des Influencers. Darunter leidet auch das Ansehen und das Vertrauen in eine Marke. Daher ist es wichtig, sich bereits während der Planung intensiv darüber Gedanken zu machen, wie eine Botschaft aussehen könnte, damit der Influencer daraus auch einen Nutzen für sich ziehen kann und seine Glaubwürdigkeit bewahrt, bestenfalls sogar stärkt.
… warum Social Collaboration im Mittelstand ankommen muss
Immer mehr Firmen beschäftigen freie Mitarbeiter, die nicht am Unternehmensstandort ansässig sind. Die Kommunikation ausschließlich per Telefon und E-Mail zu betreiben, verursacht dabei einen erheblichen Mehraufwand. Auch für Mitarbeiter, die im gleichen Haus arbeiten, ist der schnelle Austausch von Informationen über eine zentrale Anlaufstelle nicht nur von Vorteil, sondern zukünftig unabdingbar. Statt nebeneinander zu arbeiten, sorgt diese Art der Vernetzung für eine stärkere Gemeinschaft und mehr Verständnis innerhalb des Unternehmens. Die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Abteilungen ermöglicht kürzere Entscheidungswege mit flachen Hierarchien.
Über entsprechende Plattformen können autorisierte Personen auf wichtige Dokumente zugreifen, Kontaktdaten verwalten, Termine und Aufgaben planen und koordinieren. Statt die Mitarbeiter zu ein und demselben Problem nach Lösungen suchen zu lassen, bietet eine gemeinsame Wissenssammlung eine enorme Zeitersparnis. Die Einführung eines Social Intranets in Unternehmen zieht allerdings auch einige Herausforderungen mit sich, auf die Führungskräfte vorbereitet sein sollten. Eine Differenzierung zu sozialen Netzwerken wie Facebook beispielsweise muss für alle Beteiligten klar herausgestellt werden.
Doch der deutsche Mittelstand steht noch immer ganz am Anfang
Der digitale Wandel ist ein laufender Prozess, der nicht erst vor 10 oder 20 Jahren begonnen hat. Er wird nur immer schneller. Zumindest aus technologischer Sicht. Innovationen sorgen dafür, dass sich das Nutzerverhalten stark ändert und dadurch gleichzeitig neue Innovationen erforderlich werden. Es ist wie die Suche nach dem Sinn des Lebens. Antworten auf Fragen werfen neue Fragen auf. Wir erforschen den Weltraum, erlangen neue Erkenntnisse und benötigen neue, noch bessere Instrumente, um weiter forschen zu können. Chancen und Risiken zugleich. Die Treiber kommen nicht von der Technik. Die Treiber sind wir Menschen selbst.
Viele fangen gerade erst an, am aktuellen digitalen Wandel teilzuhaben. Einige davon haben den Vorteil, bereits mittendrin zu sein. Es gibt aber auch einige, die sich in der digitalen Welt mit einer Unternehmenswebsite zufriedengeben, weil sie es für ausreichend halten. Noch!
Die Folgen von Stagnation
Unternehmen, die sich dem digitalen Wandel entziehen, werden irgendwann den Punkt erreichen, an dem sie die Entscheidung treffen müssen, den Hebel umzulegen. Derartig radikale Weichenstellungen erfordern Kraft und eine ganze Menge Geld. Die Auswirkungen solcher Einschnitte auf das Personal sollten jeder Führungskraft bewusst sein. Ein Auto bremst man nicht von 100 Stundenkilometer auf null, um in bessere Straßen einzubiegen. Wobei mittelständische Unternehmen nicht mit vier oder fünf Insassen fahren. Ein Bus hat einen weitaus längeren Bremsweg.
Was muss also passieren, um Unternehmen auf die richtige Spur zu bringen?
In vielen kleinen und mittelständischen Betrieben ist nicht nur das Budget knapp. Es fehlt das Personal. Unzureichendes Know-how in der Belegschaft, weil diese nichts anderes tut als das, was sie schon immer tut, spitzt die ganze Sache zu. Weiterbildungen bestehen in vielen Fällen aus Erkenntnissen und Erfahrungen, die im täglichen Berufsleben entstehen. Unternehmen mit Autodidakten im Boot sind zwar klar im Vorteil. Allerdings fehlt hier oftmals der Freiraum, damit sich Mitarbeiter überhaupt neues Fachwissen aneignen können. Fachwissen, von dem Unternehmen profitieren. Die stagnierende Risikobereitschaft schiebt diesem Schritt zusätzlich einen Riegel vor.
Finden sich Unternehmen in diesem Szenario wieder, bringe ich den Ist-Stand wie folgt auf den Punkt: Es fehlen die finanziellen Mittel, um Mitarbeitern das erforderliche Wissen zuzutragen. Die Bereitschaft, etwas zu tun, lasse ich hierbei außen vor. Ich gehe davon aus, wer bis hierher gelesen hat, hat den Mut, etwas zu verändern.
Damit haben wir das erste Ziel: Finanzkraft erhöhen. Jetzt fragen sich sicherlich einige, was das soll. Das wissen wir längst. Wir können die Preise aber nicht anheben. Neue Absatzmärkte können wir zum aktuellen Zeitpunkt nicht besetzen. Für zusätzliche Angebote und die Neukundenakquise fehlen uns die Ressourcen. Sind diese Ansätze wirklich ein Wandel? Es erinnert mich eher an einen Automechaniker, der während der Fahrt versucht, den Motor zu wechseln.
Auch wenn sich Unternehmen, die sich dem Wandel entziehen, noch nicht in einer Krise befinden – ein Blick nach Irland ist aufschlussreich. Dort hat man gezeigt, wie man es schaffen kann, aus einer Krise wieder herauszukommen, bevor es zum kompletten Crash kommt. In Irland zeigen Sparpolitik, Reformen und Unterstützung große Wirkung. Klar, ein Unternehmen ist kein Staat. Dennoch gibt es eindeutige Gemeinsamkeiten. Ausgaben müssen minimiert, Budgets umgeschichtet und Kooperationen eingegangen beziehungsweise bestehende ausgebaut werden. Ein zentraler Baustein kann hier in der Möglichkeit bestehen, Fördermittel von Staat, EU oder auf Landesebene in Anspruch zu nehmen.
Entwicklungssprünge und wie wir darauf reagieren können
Mit „Mehr strategische Partnerschaften. Dann klappt’s auch mit der Digitalisierung.
“ bringt Robert Nagel es in seinem Artikel über die Herausforderungen bei der Digitalisierung im Mittelstand gut auf den Punkt. Denn die wenigsten können das notwendige Fachpersonal im eigenem Hause beschäftigen. Besonders die Nachfrage nach Freiberuflern und freien Mitarbeitern wird exorbitant steigen, um Schritt halten zu können. Selbst wenn für Festanstellungen das erforderliche Budget zur Verfügung steht, wird es zunehmend schwieriger, passende Kandidaten mit den erforderlichen Kenntnissen, Erfahrungen und Softskills zu finden und für sich zu gewinnen. Auf Employer Branding und Personalmarketing will ich an dieser Stelle aber nicht weiter eingehen.
Programmatic Marketing – Die Technik als Unterstützer, nicht als Entscheider
Auch wenn es zunächst vielleicht sehr kompliziert klingen mag, fasst Programmatic Marketing – einfach ausgedrückt – Methoden zusammen, die mittels Algorithmen das Ziel verfolgen, individuelle Inhalte personalisiert an einzelne Empfänger auszuspielen. Bestenfalls geschieht dies genau dann, wenn der Bedarf dafür vorhanden beziehungsweise der jeweilige Rezipient „empfangsbereit“ dafür ist.
Dabei geht es nicht nur um Werbeanzeigen, die beispielsweise über automatisierte Gebote mit Google AdWords themen- und interessenbezogen ausgespielt werden. In dem großen Hype Big Data geht oftmals Small Data unter. Es braucht nicht eine Flut von Daten, um zielgerichtet Inhalte auszuspielen und passgenaue Angebote zu unterbreiten. Das Potenzial der Kundendaten und der Informationen, die Nutzer auf den eigenen Webseiten hinterlassen, wird immer noch unterschätzt.
Wenn ich beispielsweise gezielt in einem Onlineshop nach etwas suche und mir nach dem Aufruf mehrerer Seiten immer noch nicht mein gewünschtes Produkt vorgeschlagen wird, frage ich mich, wie lange es noch dauern wird, bis standardisierte Shopsysteme mit bereits vorhandenen Möglichkeiten ausgeliefert werden. Stattdessen wird von suchmaschinenoptimierten Onlineshops gesprochen, die zwar dynamisch aus programmtechnischer Sicht zusammengesetzt werden. Von einer dynamisch individualisierten, personalisierten Auslieferung der Inhalte an potenzielle Käufer habe ich bisher jedoch noch nichts gelesen.
Dass dies auch über soziale Netzwerke funktioniert, zeigen die Beiträge und Werbeanzeigen bei Facebook. Hier bestimmen Algorithmen, was wir über unseren Stream zu Gesicht bekommen. Bei Twitter und Instagram werden uns die Inhalte standardmäßig auch nicht mehr eins zu eins in chronologischer Reihenfolge ausgeliefert. Genau hier resignieren bereits viele Mittelständler, die diese Kanäle auch als Marketingplattform nutzen wollen. Lediglich die Werbebudgets für die Anzeigenschaltung zu erhöhen, kann auf lange Sicht nicht zum Erfolg führen. Und genau hier muss endlich reagiert werden.
Interaktionen initiieren und aufrechterhalten
Wer über soziale Medien mit seinen Inhalten sichtbarer sein will, muss selbst aktiv werden. Auch wenn ich mich mit diesem Satz zum x-ten Male wiederhole, wird dies in Zeiten, in denen Algorithmen uns scheinbar alle Arbeit abnehmen wollen, wichtiger denn je.
In der Offline-Welt ist es in der Regel keine allzu große Herausforderung, sich mit anderen zu unterhalten. Eine Kommunikation, die oftmals aus einem Smalltalk entsteht, funktioniert auch online. Für viele ist dies jedoch nicht greifbar und wird als Zeitverschwendung abgestempelt. Obwohl bekannt ist, dass die potenzielle Reichweite in der digitalen Welt um ein Vielfaches größer ist, mangelt es in vielen Unternehmen an standardisierten Abläufen, Organisation und Strategien, wenn sie im Social Media etwas bewegen wollen. Was in der analogen Welt eine Selbstverständlichkeit ist, will sich irgendwie nicht für Aktivitäten in der digitalen Welt übertragen lassen. Und als wäre das nicht schon schwierig genug, erwarten uns auf den Online-Plattformen unserer Zielgruppen weitere Herausforderungen, die bereits jetzt sehr präsent sind.
Interagieren wir häufiger mit bestimmten Personen und Marken, werden deren Inhalte auch sichtbarer für uns. Da aber Interaktionen wechselseitig wirken, reicht es nicht, irgendwo einfach nur Kommentare zu hinterlassen. Dann weiß zwar das technische System dahinter, dass wir scheinbar an den Beiträgen dieser Person oder dieses Unternehmens interessiert sind und präsentiert uns infolgedessen künftig mehr davon. Unseren Beiträgen verschaffen wir damit aber keinen nennenswerten Vorteil in Hinblick auf Sichtbarkeit. Wir müssen also dafür sorgen, dass nicht nur auf unsere Kommentare reagiert wird, sondern wir müssen dem System auch eine logische Verbindung zwischen den teilnehmenden Akteuren bieten. Unternehmen benötigen daher hohe sozio-emotionale Kompetenzen mit technischem Verständnis im Team.
Zum Schluss
Ich könnte jetzt noch über die Macht von Emotionen schreiben, um unsere Zielgruppe zu erreichen. Oder über Storytelling als einen geeigneten Ansatz dafür. Ein aus meiner Sicht starkes Trendthema ist auch Gamification Marketing, und ich freue mich auf die zukünftigen Beiträge dazu. Weitere Trends findest du auch in der aktuellen Ausgabe vom UPLOAD-Magazin. Meinungen, Tipps und Prognosen von 19 Experten zum Marketing der Zukunft.
Eins steht in jedem Falle außer Frage: Wir sollten uns immer bewusst sein, dass es niemals ausreichen wird, wenn wir uns dem digitalen Wandel einfach nur anpassen. Wir müssen ihn mitgestalten. Und dies erfordert in erster Linie Mut!
Soziale Netzwerke werden nicht nur als Zeitverschwendung abgestempelt – viele Unternehmen wagen den Versuch, aber nur halbherzig, eine Social Media Präsenz aufzubauen und scheitern kläglich daran nicht weil Social Media „nix bringt“, sondern weil erfolgreiche Social Media Kampagnen Ressourcen benötigen, die die meisten Unternehmen nicht gewillt sind, zu gewährleisten.
Danke für den tollen Artikel
Danke für den tollen Beitrag.
Ja, neue Wege zu gehen, erfordert Mut und Change Strukturen, aber viele Unternehmen scheinen immer noch darauf zu warten, dass der Trend an ihnen vorüberzieht und alle wieder so weitermachen können, wie früher.
Dabei eignen sich gerade die neuen Medien sehr gut dazu, neue Dinge auszuprobieren und zu testen. Nirgends gibt es so schnell Reaktionen und Feedback oder eben auch nicht. Was soll schon passieren? Selbst wenn es negatives Feedback gibt. Ja und? Das ist doch die beste Gelegenheit, endlich mal mit seinen Kunden und Followern ins Gespräch zu kommen.
Aber auch die Redaktion auf Feedback und Dialog erfordert Offenheit, Transparenz und Agilität und das alleine ist in vielen Unternehmen schon nicht vorhanden.
Hier mein Beitrag zur „Zukunft des Digitalen Marketing“ im Upload Magazin. Über eine Verlinkung und Vernetzung Eurer Beiträge als Kommentar würde ich mich freuen:
http://blog.adenion.de/das-digitale-marketing-der-zukunft/
Beste Grüße
Melanie
Vielen Dank für den sehr umfangreichen Beitrag!
Ein aktuell immer wichtiger werdende Aspekt ist, das Zusammenwachsen der internen und externen Kommunikation. Haben sich Unternehmen, egal welcher Unternehmensgröße, auf die externen Kanäle konzentriert, so tritt auch immer mehr die Modernisierung der internen Kommunikation in den Fokus. Die Tatsache an sich ist sehr spannend, frage sich nur warum es solange gedauert hat und bei einigen noch dauert diese beiden Disziplinen gemeinsam zu betrachten.
Hallo Steve,
besser spät als nie ;-) Herzlichen Dank für die prominenten Erwähnungen einiger Evergreens hier bei Zielbar!
Viele Grüße
Stefan