Welcher Content ist in den vier Phasen der Customer Journey jeweils der richtige?
Content-Marketing findet nicht im luftleeren Raum statt und ist auch kein Selbstzweck. Im Gegenteil: Corporate Content muss gegenüber der Zielgruppe und entlang der vier Phasen der Customer Journey verdammt hart arbeiten! Tut er das nicht, ist dringend ein kritisches Mitarbeitergespräch fällig. Denn Inhalte, die Unternehmen, Start-ups und Solopreneure für ihr Inbound-Marketing nutzen, sollten im Idealfall konkrete Ziele erreichen – zum Beispiel: Leads einfahren (kurzfristig), SEO stärken (mittelfristig) oder Reputation als Experte aufbauen (langfristig). Damit strategisch aufgesetztes Content-Marketing diese Ziele erreicht, gilt unternehmensseitig: Ärmel hochkrempeln, Rechner hochfahren und immer an die Zielgruppe denken. Um Inhalte zu entwickeln, zu produzieren und zu distribuieren, die potenziellen Kunden im Rahmen ihrer Customer Journey Mehrwert bieten.
Wie das unter den aktuellen Umständen gelingen kann, welche Bedürfnisse und Ansprüche die Konsumenten an die Inhalte in den verschiedenen Phasen der Customer Journey haben und welche Contentangebote sie jeweils bevorzugen, zeigt dieser Beitrag.
Was ist die Customer Journey? Welche Rolle spielen Touchpoints?
Was dieser Artikel allerdings nicht leisten kann, weil er ansonsten aus allen Nähten platzt, ist, grundlegend zu erklären, was unter Customer Journey im Marketing zu verstehen ist und wie man Touchpoints definiert. Das ist aber gar kein Problem, denn diese Aufgabe haben hier bei Zielbar bereits mein Redaktionskollege Stefan Schütz und unsere Gastautorin Anne M. Schüller übernommen:
In „Customer Journey – Eine Reise ins Ungewisse? 7 Tipps für Unternehmen“ erklärt Stefan Schütz nicht nur die Customer Journey im Allgemeinen, vielmehr stellt er im Rahmen eines fiktiven Beispiels die „klassische“ sowie die „aktuelle“ Customer Journey vor.
Anne M. Schüller ist Expertin für Touchpoint-Management. In „Touchpoints bestimmt? Customer Journey ermittelt? Und nun? Jetzt fängt die Arbeit erst an!“ stellt sie den Zusammenhang zwischen dem Konzept der Customer Journey und der Definition von Touchpoints her.
Google: Die Customer Journey dauert bis zu drei Monate bei großen Anschaffungen, das Internet ist Informationsquelle Nr. 1
Was bis hierhin klar sein sollte: Wir bewegen uns im Folgenden auf einem Terrain, das die Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesse zu Produkten oder Dienstleistungen aufgrund einer Vielzahl an Berührungspunkten extrem komplex, zeitintensiv und individuell macht. Beispiele gefällig?
Schon 2011 kam Google im Rahmen einer Studie zum „Zero Moment of Truth“ zu dem Ergebnis, dass es den Königsweg der Customer Journey im Marketing nicht geben kann. Statt des einen geraden, immer gleichen Wegs von A nach B, gleicht die Reise des Kunden vielmehr einer verwinkelten Rüttelpiste mit engen Kurven, Umleitungen und – ja auch – Sackgassen. Ziel der Untersuchung war es, Gesetzmäßigkeiten zu identifizieren, die beschreiben, wie Konsumenten eine Kaufentscheidung treffen. Das Ergebnis: Von den 3.000 untersuchten Kaufentscheidungsprozessen glichen sich nicht einmal zwei.
Mit anderen Worten: Die Customer Journey verlief jedes Mal individuell.
Eine aktuelle Studie von Google aus dem September dieses Jahres liefert Marketern hingegen schon mehr Insights. Für die Untersuchung wurden 2.000 österreichische Probanden zur Anschaffung einer breiten Produktpalette (von Schokolade bis zu einem Neuwagen) befragt.
Ergebnisse & Learnings:
- Der Großteil neuer Produkte wird wegen eines konkreten Bedarfs oder als Ersatz gekauft.
- Die Customer Journey ist unterschiedlich lang – abhängig von der Größe der Anschaffung –, aber niemals kurz: So können von der ersten Idee bis zur tatsächlichen Anschaffung hochwertiger Produkte (wie Neuwagen, Küche oder die Buchung einer Reise) bis zu 90 Tage vergehen. Die Entscheidung zum Erwerb eines Laptops oder Smartphones dauert durchschnittlich 30 Tage.
- Die Käufer nehmen sich viel Zeit, um ausführlich zu recherchieren. Das „Internet ist Top 1 weiterführende Infoquelle“, daher sei ein „exzellenter Online-Auftritt essenziell“ für Unternehmen, heißt es in dem Ergebnis-PDF.
- Weiteres Ergebnis: Bei der Internetrecherche nutzen 60,2 Prozent Suchmaschinen. 54 Prozent rufen die konkrete Webadresse eines Unternehmens auf.
Die Markenexperten von Esch schreiben deshalb in ihren MARKENInsights:
Viele Unternehmen sind sich der Anzahl der Touchpoints ihrer Marken mit den verschiedenen Anspruchsgruppen nicht bewusst. Knapp die Hälfte der Unternehmen geht davon aus, dass ihre Marke weniger als 50 Touchpoints aufweist. Erfahrungsgemäß lassen sich über alle Branchen hinweg allerdings ca. 100 bis 500 Kontaktpunkte pro Marke identifizieren.
Dabei sind unter Berührungs- oder Kontaktpunkten nicht nur die klassischen Touchpoints gemeint. Neben Gesprächen mit Familie, Freunden, Bekannten, Arbeitskollegen und Netzwerkpartnern zählen dazu vor allem:
- Klassische Werbung
- Berichterstattung in klassischen Medien
- Messeauftritte
- Promo-Aktionen am Point of Sale (PoS)
Heute ergänzen diese klassischen Touchpoints noch die digitalen Kontaktpunkte. Über die – in der Google-Studie – bereits genannten Beispiele „Suchmaschine“ und „Corporate Website“ hinaus sind hier vor allem die folgenden wichtig:
- Landingpages
- Social-Media-Profile
- Berichterstattung in Online-Medien
- Newsletter
- Vergleichsportale
- Online-Werbung
- Social-Media-Ads
Umfrage: Content-Marketing wird immer stärker zum Vertriebsinstrument. 67 Prozent der befragten Unternehmen konnten durch inhaltsgetriebenes Marketing neue Kunden gewinnen
Wie zu Beginn erwähnt, muss Content an diesen unterschiedlichen Touchpoints arbeiten und funktionieren, schließlich sucht die jeweilige Zielgruppe in Vorbereitung des Kaufs oder einer Beauftragung nach relevanten Informationen.
Content-Marketing gewinnt deshalb immer stärker auch als Vertriebsinstrument an Bedeutung. In einer Umfrage von Kammann Rossi und der School for Communication and Management geben 81 Prozent der Befragten an, mit relevanten Inhalten neue Leads verdient zu haben.
Weitere Ergebnisse:
Content-Marketing wirkt bei der Neukundengewinnung.
Die umgesetzten Maßnahmen des Content-Marketings führten bei 40 Prozent zu einem Anstieg des Absatzes. 31 Prozent können den Zusammenhang nicht herstellen (was u. a. mit der Erhebung falscher oder gar keiner KPI zusammenhängen kann).
Deshalb gilt:
Kurz: läuft!
Um das an dieser Stelle aber noch einmal ganz deutlich in fett, unterstrichen und kursiv bemerkt zu haben: Strategisch aufgesetztes Content-Marketing kann und sollte auch noch andere Ziele als nur die Steigerung des Absatzes verfolgen. Die kurz-, mittel- und langfristigen Ziele müssen aufeinander abgestimmt sein, sonst ist der langfristige Erfolg eher in Gefahr als realistisch.
Content ist auch für die Customer Journey im B2B äußerst relevant – wenn er die Bedürfnisse der Zielgruppe anspricht, produktspezifische Informationen liefert und nicht wirbt
Wer jetzt meint, dass die hier vorgestellten Ergebnisse „nur“ für den B2C-Bereich gelten, irrt.
So belegt die 2017er Untersuchung „How Content Influences the Purchasing Process“ des US-amerikanischen „Content Marketing Institute“, dass auch im B2B-Bereich 81 Prozent der Verantwortlichen eine Recherche durchführen (sich also auf die Customer Journey begeben), bevor sie einen Dienstleister oder ein Produkt für ein internes Projekt vorschlagen.
Als relevant werden dabei folgende Inhalte eingeschätzt:
- Content, der die spezifischen Bedürfnisse der Zielgruppe anspricht und die Pain Points thematisiert
- Inhalte, die zum Themenspektrum des Produktangebots gehören und einzelne Produktspezifika liefern
- Content, der informierend und erklärend ist – und nicht wirbt
Die Erwartungen und Bedürfnisse der Zielgruppe in den vier Phasen der Customer Journey
Zusammengefasst gilt: Konsumenten erwarten mittlerweile in jeder der vier Kaufentscheidungsphase relevanten Content – im B2C wie im B2B. Die im Rahmen des Content-Marketings an den unterschiedlichen Touchpoints bereitgestellten Inhalte werden dafür intensiv genutzt, vor allem in der Mitte des Entscheidungsprozesses.
Aber welche Inhalte, welche Content-Formate „wünschen“ sich die Konsumenten auf ihrer Reise bzw. welche Informationen benötigen sie wann? Eccolo Media hat das für den B2B-Bereich untersucht.
Um die Frage halbwegs valide beantworten zu können, ist es zunächst wichtig, die Kundenreise durch Einteilung in verschiedene Abschnitte – trotz der oben erwähnten individuellen Wege – ein wenig „griffiger“ zu gestalten. Wir folgen dafür einem recht geläufigen Konzept (das an das AIDA-Modell angelehnt ist) und unterteilen die Customer Journey in vier Phasen:
- Inspirations-/Aufmerksamkeitsphase vor dem Kauf: Das konkrete Problem ist noch unbekannt, das Bedürfnis eher zufällig „aufgepoppt“, aber das Interesse bereits geweckt. In dieser Phase der Customer Journey ist das Informationsbedürfnis entsprechend unspezifisch.
- Bedürfnis-/Recherchephase: Das Problem bzw. der konkrete Bedarf ist verstanden. Es findet im Rahmen von Informationsrecherchen eine intensive Auseinandersetzung mit den Inhalten und den Produktspezifika statt. Diese Phase der Customer Journey ist überaus wichtig: Wer die Zielgruppe jetzt nicht mit „seinen“ Inhalten erreicht, kann die kommenden beiden Phasen eigentlich schon abhaken …
- Entscheidungsphase: Die Recherche führt zu Ergebnissen, so dass eine mögliche Produkt- oder Anbieterauswahl entsteht. Der potenzielle Kunde überlegt und wägt ab, ob der Anbieter sein Bedürfnis befriedigen bzw. sein Problem lösen kann.
- Kauf- bzw. Conversionphase: Die Entscheidung für einen konkreten Anbieter fällt. Kauf oder Abschluss werden vorbereitet. Der Content sollte dabei durch abschlussrelevante Informationen ebenfalls zum Kaufabschluss beitragen.
Konkrete Contentangebote für die unterschiedlichen Phasen der Customer Journey
Bitte, das ist noch zu abstrakt?
Okay!
Wir wären nicht Zielbar, wenn wir nicht noch eine Nummer „konkreter“ würden. Deshalb ordnen wir jetzt den oben vorgestellten Phasen der Customer Journey geeignete Content-Formate bzw. Inhaltsangebote zu. Basis dafür sind die hier vorgestellten Studienergebnisse und unsere Praxiserfahrungen aus Beratungs- und Content-Projekten.
Inspirations-/Aufmerksamkeitsphase: Am gefragtesten sind in dieser noch unspezifischen Phase des Kaufentscheidungsprozesses vor allem informierende, aber eher allgemein gehaltene Blogbeiträge, Infografiken und Whitepaper. Außerdem eignen sich Contentangebote, die das Kennenlernen ermöglichen, eine hohe Reichweite haben und viel Traffic bringen. Dazu zählen:
- Checklisten
- Videos
- Audio-Podcast
- Medienberichterstattung
- Social-Media- und Snack-Content
- Gut rankende Suchergebnisse
- SEA & Social Media Ads, Native Advertising
- Offline-Werbung: OoH (Out-of-Home), TV- und Radiospots, Beilagen, Anzeigen
Bedürfnis-/Recherchephase: Das Informationsbedürfnis steigt rapide – und erreicht in dieser Phase einen Höhepunkt. Potenzielle Kunden recherchieren und rezipieren jetzt intensiv. Entsprechend wichtig ist es, an dieser Phase der Customer Journey die „besten Inhalte“ zu liefern. Im B2B sind hier detaillierte Whitepaper, praxisnahe Case Studies und erklärende Video- bzw. Multimediainhalte gefragt. Darüber hinaus eignen sich:
- Webinare
- E-Books
- Produktnaher Website-Content, der Nutzen und Mehrwert des jeweiligen Angebots kommuniziert
- FAQs auf der Website
- Social Media Postings
- On- und offline: Broschüren, Produktdetailinformationen
Entscheidungsphase: Nur schwer trennscharf von der Recherchephase zu unterscheiden. In diesem Abschnitt werden die Recherchen strukturiert, bewertet und einzelne Anbieter identifiziert. Im B2B suchen die User jetzt nach lösungsorientierten Case Studies mit möglichst konkreten Beispielen, ausführliche Ratgebern (How-to-Beiträge, Broschüren, Erfahrungsberichten) und das Angebot bzw. die Anwendung vorstellenden Videos und Multimediainhalten mit dem Fokus auf den Produktnutzen.
Außerdem eignen sich:
- Ratgeber-Blogbeiträge, die Problemlösungen bzw. Anwendungsgebiete (nicht werbend) vorstellen
- Webinare mit Hintergrundinformationen
- Produkttests
- Newsletter
- Persönliche Kundenberatungsgespräche
Kauf- bzw. Conversionphase: Um den Kauf konkret vorzubereiten (und im B2B-Bereich zum Beispiel Argumente für die interne Präsentation der Entscheidung zu finden) sind nun ausführliche Ratgeber, Leitfäden sowie Anwenderberichte seitens der User gefragt. Außerdem eignen sich folgende spezifische Informationen:
- Kundenreferenzen auf der Website
- Produktdetailtexte
- Newsletter oder Follow-up-Mails mit möglichst individuellen Inhalten bzw. Angeboten
- Alle Informationen rund um Preise und Rabatte (wie Pauschalen, Aktionen und Angebote, After-Sales-Services)
Nach der Customer Journey ist vor der Customer Journey – zumindest für die Content-Marketing-Verantwortlichen
So, während jetzt gut gelaunt Abschlüsse gemacht und Rechnungen geschrieben werden, ist die Customer Journey aber in Wirklichkeit noch gar nicht beendet.
Denn jeder Vertriebler, der sein Auftragsbüchlein richtig herum halten kann, weiß, dass es viel schwerer und kostenintensiver ist, einen Neukunden zu akquirieren als einen Bestandskunden zu reaktivieren. Deshalb spielen die richtigen Inhaltsangebote nach dem Kauf oder Abschluss eine wichtige Rolle, um aus Käufern loyale Kunden oder langjährige Auftraggeber zu machen.
Und die Kunden? Die sehen das ebenso. In der bereits erwähnten Studie von Eccolo Media gaben immerhin 72 Prozent der befragten B2B-Entscheider an, auch nach dem Kauf Informationen erhalten zu wollen. Auch hier gibt es besonders beliebte Content-Formate: Whitepaper, Case Studies und Ratgeber.
Die schlechte Nachricht zum Schluss: Das auf die vier Phasen der Customer Journey abgestimmte Content-Marketing ist und bleibt harte Arbeit
Ziel eines jeden Unternehmens muss es sein, die Customer Journey der Zielgruppe, so individuell sie auch sein mag, durch relevante Inhalte an den passenden Touchpoints zu begleiten. Natürlich ist es aufwendig, die Kontaktpunkte auszumachen, entsprechend zu priorisieren und mit relevanten Inhalten auszustatten. Deshalb eignet sich die in diesem Beitrag vorgestellte Übersicht vielleicht als Einstieg bzw. Zwischenlösung. Denn das Problem bleibt: Sollten Mitbewerber qualitativ bessere Inhalte, stärker auf die Zielgruppe und ihr jeweiliges Bedürfnis abgestimmten Content und mehr Informationen über die Kaufentscheidungsprozesse ihrer Kunden haben, dürfte es – freundlich ausgedrückt – zukünftig ein wenig schwierig werden, die Zielgruppe für sich bzw. die eigenen Produkte oder Dienstleistungen einzunehmen.
Deshalb bleibt das auf die Customer Journey abgestimmte Content-Marketing vor allem eins: harte, harte Arbeit. Also: Ärmel hochkrempeln oder darauf hoffen, dass die Mitbewerber weniger sichtbar sind. Deine Entscheidung!
Artikelbild: Martin Mummel/GRVTY
Klasse. Wie immer.
Was soll ich sagen? :)
Danke, Robert! Sehr freundlich.
Sehr gut geschrieben Artikel, den ich als Laie verstanden habe:)
Danke!
Schöne Feiertage.