Vom Erstentwurf zur Textperle: Warum das Nachbearbeiten von Content unsexy aber unverzichtbar ist
Diesen Artikel hätte ich beinahe mit einem Zitat von Hemingway begonnen. Ja genau, mit diesem ausgelutschten Zitat vom ersten Entwurf und was Hemingway davon hielt. Wie öde. Das hätte dem trinkfesten Abenteurer sicherlich nicht gefallen, der den Kampf zwischen Mann und Natur in Literatur goss wie Whiskey in seinen Rachen.
Stellen wir uns vor, Hemingway wäre heute Blogger. Whiskey gibt’s ja nach wie vor. Und auch einige andere Dinge haben Bestand. So zum Beispiel die Grundregel, dass der erste Entwurf immer scheiße ist. So, jetzt habe ich das Zitat doch bemüht. Weil es stimmt.
Überarbeitung? Brauche ich nicht!
WordPress macht es Bloggern leicht: einfach auf „Veröffentlichen“ klicken und schon geht der Beitrag live. Ein tolles Gefühl! Nur leider kein verlässlicher Indikator dafür, dass man in diesem denkwürdigen Augenblick auch Qualität in den Äther gepustet hat.
Der erste Eindruck dagegen auf Seiten der Leser bleibt. Wenn ein Text vor Fehlern strotzt oder der rote Faden dünner ist als ein Bourbon on the rocks bei Gluthitze, verflüchtigt dieser Text. Sowohl aus eigener Erfahrung als auch aus einer Vielzahl von Gesprächen mit Autoren- und Bloggerkollegen kann ich daher eine Quintessenz guten Gewissens weitergeben.
Jeder Text benötigt Überarbeitung. Immer.
Pauschal? Jawoll. Aber deswegen noch lange nicht verkehrt. Sorry, liebe onomatopoetische Lyrikfreunde, die ihre freifliegenden Gedanken auf Butterbrotpapier kritzeln und die Ergüsse im Craft-Beer-Laden um die Ecke zu glutenfreien Algencrackern vortragen: Das hier ist kein Poetry Slam. Geschriebene Texte brauchen Führung, Struktur und Groove, wie Zielbar-Chefredakteur Andreas Quinkert in unserer letzten Newsletter-Ausgabe schrieb.
Aus dem Gelenk geschüttelte Gedichte sind bestenfalls Breakdance, gute Texte hingegen laden zum Wiener Walzer, Foxtrott oder Rock ’n‘ Roll . Wer hingegen nur halbgare Gedankensülze serviert, tritt den Lesern damit gewaltig auf die Füße anstatt in die Stapfen von Koryphäen wie David Ogilvy.
Für Unternehmen wie für Texter gilt gleichermaßen: Texte sind wirksame Kreativleistungen, die ordentlich Schwung in die Unternehmenskommunikation bringen – entsprechende Sorgfalt vorausgesetzt.
Keine verkaufsstarken Texte ohne Geduld
Jeder Text hat eine Absicht und verfolgt ein Ziel. Dahingeschluderte Zeilen werden beiden Ansprüchen nicht gerecht. Als würde man eine Pizza zu früh aus dem Ofen holen und Artischocken auf den noch feuchten Teig streuen. Buon appetito!
Es geht nicht um die Allüren einiger Schöngeister, sondern um handfeste Unternehmensziele. Denn auch Vertriebler können nur mit den Schultern zucken, wenn saumäßig schlechte Marketing-Texte die Zielgruppe kaltlassen. Das geht bei Slogans los und hört bei Storytelling noch lange nicht auf.
Was also lernen wir daraus? Starke Texte kurbeln den Verkauf an, brauchen allerdings Zeit. Ein zielgruppengerechter, suchmaschinenoptimierter, leserlicher und sauber strukturierter Beitrag für einen Corporate Blog ist nicht in zwei Stunden geschrieben. Je nach Umfang und Tiefe des Themas können auch schon einmal mehrere Personentage für die Recherche notwendig sein. Doch das Ergebnis lohnt sich angesichts der Macht der Worte.
Damit Blogger, Auftragstexter und andere Schreibversessene sich nicht auf den Bühnen der Inbound- und Outbound-Media blamieren, gibt es im Folgenden eine kleine Übersicht der notwendigen Arbeitsschritte.
Kleine Anleitung für gute Texte
Leider hat Hemingway uns kein Listical für starke Texte hinterlassen. Daher müssen wir uns mit den folgenden neun Tipps begnügen. Die helfen aber auch schon, versprochen.
1. Schnell herunterschreiben
Den ersten Textentwurf auf Papier zu bringen, ist ein bisschen so wie Pflaster abziehen. Nur dass die Sache mit dem Text viel, viel länger dauert und mindestens genauso wehtut. Aber es hilft ja alles nichts – die erste Version muss runtergeschrieben werden, und zwar schnell.
2. Abstand, Abstand, Abstand
Der Erstentwurf steht, was bereits der schwierigste Schritt auf dem Weg zu einem aussagekräftigen Text ist. Schulterklopfen im stillen Kämmerlein ist daher ausdrücklich erlaubt. Und eine Auszeit vom Text, um den Kopf freizukriegen.
Diese Zeit des Abstands sollte Redakteuren in jedem Fall zugestanden werden. Und wenn es nur die Mittagspause ist. Andernfalls drohen Flüchtigkeitsfehler, die vor Veröffentlichung einfach übersehen werden.
3. Text aus verschiedenen Perspektiven gegenlesen (lassen)
Ein Königreich für einen Stab an Korrektoren oder Lektoren! Denn Eitelkeit und Erfolg passen bei Autoren nicht zusammen. Wir brauchen Profis, die unsere Texte auf den Prüfstand stellen.
Leider verfügen die meisten von uns nicht über diesen Generalstab, doch auch der eigene Blick mit dem im zweiten Tipp beschriebenen Abstand kann schon helfen, eine neue, kritische Perspektive auf den Text einzunehmen.
4. Nachbearbeitung
Nun, wo das Pflaster bereits eine Weile ab ist, heißt es: Da muss Luft ran!
Der mit Abstand aufwendigste und zugleich unverzichtbarste Teil der Textverbesserung folgt. Blabla fliegt raus, Füllwörtern wird der Garaus gemacht, genau wie Stilblüten und Wiederholungen. Jeglicher unnötiger Ballast, der nicht dem Ziel des Textes folgt, wird abgeworfen.
5. Die Arbeit anderer anerkennen
Vor einiger Zeit habe ich bereits über das Problem Linkgeiz geschrieben. Und nach wie vor herrscht in einigen Unternehmen der Gedanke vor, Wissen sei exklusiv und Vernetzung nicht zielführend. Das Gegenteil ist der Fall: Je mehr die Beachtung fachlicher Kompetenz meiner Kollegen oder meiner Wettbewerber hindurchschimmert, desto souveräner kommuniziere ich.
Es ist ein jahrhundertealter Irrglaube, Autoren wären Einzelkämpfer. Stimmt, sie brauchen heute nicht mehr unbedingt Verlage, um erfolgreich zu werden. Das geht auch als Selfpublisher. Die Basis für einen erfolgreichen Text ist und bleibt jedoch die eigene Zielgruppe. Und die schätzt in der Regel Artikel, Bücher und Blogbeiträge, die über den Mikrokosmos des Verfassers hinausgehen.
6. Zyklisch vorgehen: Überarbeiten, Abstand nehmen …
Schon wieder? War das nicht schon Tipp Nr. 2? Jap. Und trotzdem ist es wichtig, an dieser Stelle des Arbeitsprozesses wieder auf Abstand zu gehen, um den nochmals überarbeiteten Text ruhen zu lassen. Ich nenne es zyklisches Vorgehen – überarbeiten, ruhen lassen, überarbeiten, ruhen lassen. Das lässt sich übrigens beliebig oft wiederholen, umso aufgeräumter wirkt der Content.
7. Fachfremde gegenlesen lassen
Der Text ist jetzt soweit, ihn einem kleinen Teilpublikum vorzustellen. Dieses kann bunt durchmischt sein, sodass ihn auch Mitarbeiter anderer Abteilungen vor dem Hintergrund der Verständnisfrage beurteilen können und soll(t)en.
Denn wenn schon die eigene Belegschaft mit Fragezeichen über dem rauchenden Kopf durch die Absätze stolpert, wird es der eigenen Zielgruppe kaum anders gehen. Gleichzeitig gilt: auf Kompetenz vertrauen und sich im Klaren darüber sein, dass ein Text mehr ist als die Summe seiner Wörter. Es handelt sich schließlich um eine Kreativleistung, die Unternehmensbotschaften kommunizieren soll.
So bringt es nichts, die Wortwahl zu kritisieren, wenn es sich um Schlüsselbegriffe aus der jeweiligen Branche selbst handelt. Die Kritik an Texten sollte weiterhin präzise formuliert werden. „Irgendwie verstehe ich diesen Absatz nicht“ ist nicht präzise. „Dieser Satz ist zu verschachtelt, deswegen kann ich ihm nicht folgen“ schon eher.
8. Finale Korrektur
Bei Zielbar etwa wird die finale Korrektur über das Team Content-Qualität abgewickelt. Auch Unternehmen sollten immer erfahrene Personen damit betrauen, vor jeder Veröffentlichung im Interesse des Qualitätsmanagements einen prüfenden Blick auf den Text zu werfen.
Im Idealfall handelt es sich dabei um einen Texter oder Redakteur, in Frage kommen auch Mitarbeiter mit einem guten Gefühl für Sprache. Da sich eine sorgfältige Korrektur jedoch nicht zwischen Tür und Angel machen lässt, sollte der entsprechende Mitarbeiter zeitweise von anderen Aufgaben entbunden werden. Das führt dazu, dass Ressourcen im Unternehmen in diesem Moment nicht optimal ausgeschöpft werden können – dessen sollten sich die Verantwortlichen bewusst sein.
9. Die eigene Leistung anerkennen
Der Text ist fertig. Nichts wie raus damit und dann in Vergessenheit geraten lassen? Das wäre schade. Zur zufriedenstellenden Textarbeit gehört es, die eigene Arbeit wertzuschätzen, sich an einem veröffentlichten Artikel zu erfreuen. Wie ein Maler, der seinem Gemälde beim Trocknen zusieht.
Das steigert die Motivation für spätere Arbeiten. Ohnehin ist es sinnvoll, den eigenen Content nach Veröffentlichung im Blick zu behalten, um auf Feedback seitens der Zielgruppe reagieren zu können. Auch dafür sollten Unternehmen ihren kreativen Content-Schöpfern Zeit einräumen.
Fazit
Textnachbearbeitung ist so unsexy wie der Begriff klingt, aber notwendig und vor allem anhand einfacher Schritte durchführbar. Als Belohnung winkt starker Content, der die Zielgruppe erreicht und auf die Marke einzahlt. Und dafür lohnt sich der Aufwand allemal, oder?
Lieber Benjamin,
du schreibst mir aus der Seele. Großartiger Beitrag, auf den Hemingway eine Flasche Vintage gekippt hätte. Ach, ein Fass.
Funkelnde Longcopy braucht mindestens so viel Puste wie Herzblut. In Werbeagenturen haben wir früher fast nur für die Tonne gearbeitet. Wir wurden fürs Ideen Ausdenken, Verwerfen und Verbessern bezahlt.
2017 hat für so was keiner mehr Geld – obwohl alle um das goldene Content-Kalb tanzen. Wenn ich heute 4 Stunden für eine Headline aufschreibe, kann ich mich auf was gefasst machen.
Ich werde dafür sorgen, dass meine Kunden deinen Artikel lesen. Pflichtlektüre.
Schreibt weiter so,
Daniela
Liebe Daniela,
vermutlich hätte er das getan, ja. Dann lasse mich gern wissen, was deine Kunden zu diesem Artikel sagen.
Viele Grüße
Benjamin
Super auf den Punkt gebracht.
Wunderbar – genauso ist es: Ein Text muss erst ein bisschen abhängen und dann gründlich poliert werden. Mit der richtigen Expertise und genügend Zeit wird daraus ein Glanzstück, das ein glänzendes Honorar wert ist :-)
Danke, so sehe ich das auch. :)
Absolut richtig! Ich schlafe auch immer mindestens eine Nacht über meine Texte. Frische Gedanken am nächsten Tag verbessern das Geschriebene ungemein.
Lesenswerter Beitrag!
So mache ich es auch. Das bringt meist mehr, als den Text am selben Tag mehrfach zu überarbeiten. Danke!
Alles soweit richtig und gut. Unterschreibbar (pun intended).
ABER:
_ Ein zielgruppengerechter, SEO-optimierter, leserlicher und sauber strukturierter Beitrag für einen Corporate Blog ist nicht in zwei Stunden geschrieben. _
Hier liegt der Hund begraben: Der Auftraggeben zahlt mir (und das schon mit Gegrummel) maximal zwei Stunden für einen Beitrag. Was nun?
Danke, guter Einwand. Da gibt’s eigentlich nur zwei Lösungen: Dem Kunden die Notwendigkeit der zeitintensiven Arbeit mit Argumenten der Qualitätssicherung erläutern.
Oder Kunden finden, die weniger grummeln. Es kommt beim Angebot wohl immer darauf an, welche Leistungen um den Text drumherum benötigt werden.
Es bleibt leider aber trotzdem die Tatsache, dass vielen Unternehmen Text nichts wert ist oder – viel schlimmer eigentlich – den Unterschied zwischen dem in Deinem Artikel propagierte Qualitätstext und irgendeinem „Geschreibsel“ nicht erkennen (erkennen wollen?).
Das ist anscheinend ein Grundproblem im Content-Marketing. Wobei meiner Wahrnehmung nach immer mehr Unternehmen erkennen, dass qualitativ hochwertige Texte deutlich besser performen.
Selten so viel Witz im Text mit metaphernreicher Rhetorik gelesen. Hut ab….
Danke! Den Schuh ziehe ich mir … ähm, den Hut setze ich mir gerne auf. :)
[…] Übrigens: Warum das Nachbearbeiten von Content unsexy aber unverzichtbar ist, kannst du bei Zielbar weiterlesen. […]