Content-Nerds, steht zu eurer Verantwortung!

Content-Marketer und Kommunikatoren, steht (endlich) zu eurer Verantwortung!

Content-Marketer und Kommunikatoren jeglicher Couleur haben eines gemeinsam: Wenn sie für große Marken oder Plattformen arbeiten, erreichen sie viele Menschen. Klar, das ist ja auch die Idee. Doch diese Reichweite führt auch dazu, dass Kommunikation und Content-Marketing eine gesellschaftliche Wirkung entfalten. Und in den Worten des großen Philosophen: Mit großer Reichweite kommt große Verantwortung.

Deshalb hier ein Rant und eine Bitte.

Wenn es um Verantwortung in Sachen Kommunikation geht, stehen meist die viel gerühmten Influencer im Fokus. Ganze Studien wurden zu diesem Thema durchgeführt. Hanno Stecken, COO von Wavemaker, sagt dazu bei den Kollegen von lead digital:

Große Macht bedeutet auch große Verantwortung! Viele Influencer unterschätzen noch immer, was für eine Position sie wirklich haben. Auch hier muss Influencer Marketing erwachsen werden, um als Media-Kanal weiter an Relevanz zu gewinnen.

Das ist korrekt. Dennoch zeichnet sich für mich in den letzten Monaten ein immer größerer Doppelstandard ab. Influencer werden aufgefordert, verantwortlich zu handeln. Das ist gut. Doch gleichzeitig setzen immer mehr Marken in ihrer Kommunikation auf Provokation und kontroverse Themen.

Egal ob aktuell true fruits, die seit Jahren bewusst provozieren und jetzt alle, die auf diese Provokation anspringen, als dumm bezeichnen, Unitymedia die sich in „Humor“ versuchen oder DHL, die auf Twitter gegenüber Kunden eher unpassend antworten: Marken und Kommunikatoren greifen verstärkt zu Provokation als Mittel der Reichweitengenerierung.

Rein fachlich ist das nachvollziehbar. Denn auch wenn manche der oben verlinkten Beispiele nicht unbedingt vom Unternehmen gewollt waren, sie führten unbestreitbar zu mehr Reichweite.

Das zeigt auch das Community Management bei DIE WELT. Niddal Salah-Eldin, Head of Social Media, erklärt beispielsweise im Interview:

Die Chefredaktion hat uns da sehr vertraut und uns machen lassen – dieser Mut wurde belohnt. Unsere Community hat sich innerhalb von einem Jahr und ein paar Monaten mehr als verdoppelt.

Aus fachlicher Sicht ein klarer Erfolg mit einer Strategie, die nicht wenige als souverän und schlagfertig bezeichnen.

Alles richtig. Doch all diese Ansätze sind meiner Meinung nach nur dann erfolgreich, wenn sie rein aufs Marketing oder die Kommunikation bezogen betrachtet werden.

In vielen Diskussionen zu diesem Thema höre ich an dieser Stelle: Genau darum geht es doch. Kommunikatoren und Content-Marketer sind nur ihren Zielen und Unternehmen verpflichtet. Wenn sie die erreichen ist alles gut.

Ich erlaube mir, zu widersprechen.

Kommunikation und Content Marketing gestalten Gesellschaft

Keine Sorge, ich mache die Haltungsdebatte nicht erneut auf. Die wurde in der Blogparade der Kollegin Meike Leopold zur Genüge diskutiert. Dennoch greife ich ein Zitat von Sascha Theobald auf, das er im Rahmen der Blogparade geschrieben hat:

Wir brauchen Unternehmen mit echter Haltung, die Veränderungen konsequent anpacken. So wie wir uns alle an die eigene Nase packen müssen, müssen auch Unternehmen endlich handeln. Und auch kleine und mittelständische Unternehmen haben einen Einfluss, den man nicht unterschätzen sollte.

Persönlich stimme ich Saschas Aussage zu, doch das ist nicht das Thema dieses Artikels. Wichtig ist für mich der letzte Satz. Denn bereits kleine und mittelständische Unternehmen haben mit ihrer Kommunikation und ihrem – hoffentlich vorhandenen – Content-Marketing Einfluss auf die Menschen, die sie erreichen. Große Marken umso mehr.

Und genau das ist der Punkt, an dem meine Bitte ansetzt:

Liebe Content-Marketer und Kommunikatoren, lasst uns bitte nicht auf Provokation und Kontroverse setzen, nur um mehr Reichweite zu erzielen. Lasst uns zu unserer Verantwortung stehen!

Denn Content-Marketing und Kommunikation existieren nun mal nicht im luftleeren Raum. Sie sind eingebettet in die Gesellschaft mit all ihren Themen und Konflikten. Marken und Kommunikatoren tragen ihren Teil dazu bei, Themen anzuheizen oder zu versachlichen. Große Medienangebote – egal ob on- oder offline – natürlich auch.

Bevor das jemand falsch versteht: So gern ich Haltung bei Unternehmen sehen würde, ich erwarte sie nicht. Kein Unternehmen muss aus meiner Sicht Position zu politischen Fragen beziehen.

Doch jedes Unternehmen, jeder Content-Marketer und jeder Kommunikator sollte sich fragen, ob ein wenig Reichweite die potenziellen Nebenwirkungen und Konsequenzen der eigenen Maßnahmen wert ist.

Das hat übrigens nicht zwingend mit Haltung oder Werten zu tun – auch wenn ich mir wünsche, dass es der Fall wäre – sondern schlicht mit langfristigem, unternehmerischem Denken.



Ja, Kontroverse und Provokation können kurzfristig Reichweite bringen und den Umsatz ankurbeln. Vielleicht sind sie sogar Teil einer langfristig erfolgreichen Positionierung.

Doch wenn Content-Marketer und Kommunikatoren in Kauf nehmen, dass sie dadurch zu einer weiteren Verrohung des gesellschaftlichen Umgangs – und das leider nicht nur online – beitragen, entziehen sie sich dauerhaft die Geschäftsgrundlage.

Eine Gesellschaft, die von Provokation, Kontroversen und Unfrieden dominiert wird, ist nur für wenige Geschäftsmodelle und Branchen umsatzsteigernd.

Verantwortung ist kein Umsatz-Killer

Der eine oder die andere mag jetzt teilweise zurecht einwenden, dass eine etwas reflektiertere und weniger auf Provokation ausgelegte Kommunikation auch weniger Reichweite erzielt und vielleicht sogar zu sinkenden Umsätzen führt.

Kurzfristig durchaus möglich. Doch genau so wie Provokation zu einer klaren Positionierung führen kann, kann dies auch durch konsequente Kommunikation gelingen. Wenn im Content-Marketing die Kernthemen und die Kompetenz immer wieder deutlich werden, kommt das bei Kunden an.

Verantwortungsvolles Content-Marketing muss nicht langweilig sein. DATEV zeigt beispielsweise, nicht zuletzt dank der Arbeit von Christian Buggisch, seit Jahren mit ihrer Community und Blogs, wie konsequentes, unaufgeregtes und wirksames Content-Marketing  mit einer Prise Humor funktioniert. Ganz ohne Provokation.



Und bevor jemand kommentiert, dass DATEV ja auch kaum mit Provokation arbeiten könnte: Doch, könnten sie. Ansätze und Themen gäbe es da viele …

Genug gerantet, jetzt seid ihr dran: Wie viel Verantwortung haben Content-Marketer und Kommunikatoren? Stimmt ihr meinem Ansatz zu oder haltet ihr ihn für völlig weltfremd? Ich freue mich auf euere Meinung und die Diskussion in den Kommentaren. Konstruktiven Austausch setze ich bei unserer Zielbar-Community voraus.

Artikelbild: Martin Mummel/GRVTY

Content-Marketer und Kommunikatoren, steht (endlich) zu eurer Verantwortung!
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Christian Müller

Christian Müller

Christian Müller unterstützt soziale Einrichtungen, Bildungsträger und KMU bei der Nutzung digitaler Kommunikationskanäle. Eine seiner Leidenschaften ist die Videoproduktion und der Einsatz von Livestreaming-Apps. Beides vermittelt er mit Sozial-PR auch in Trainings und Coachings.

Eine Reaktion zu “Content-Marketer und Kommunikatoren, steht (endlich) zu eurer Verantwortung!”

  1. Lisa Weber

    Toller Beitrag! Gerade erst über Google gefunden.

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