Bildhaft schreiben: So wird Lesen zum Kopfkino
Egal ob Harry Potter, Herr der Ringe oder Moby Dick – eines haben gute Romane immer gemeinsam: Fängt man einmal an zu lesen, kann man nicht mehr damit aufhören. Wenn ein Text so bildhaft geschrieben ist, dass in unseren Köpfen ein Film beim Lesen abläuft, dann ist es geschafft: Der Leser ist mit Feuer und Flamme dabei.
Und genau das will heutzutage auch jeder Blogger und kreative Texter, der etwas auf sich hält, für seinen Internet-Auftritt. Gleichzeitig sollten wir aber auch die Ergebnisse der Hirnforschung nicht aus den Augen verlieren: Um Unbekanntes zu verstehen, müssen wir es an etwas Bekanntes andocken.
Wie schreibe ich also bildhaft genug, um das Kopfkino meiner Leser zu entfesseln, sie aber nicht zu verwirren? Dieser Beitrag liefert die Antwort. Mit dabei: jede Menge Tipps und Tricks, wie dir die Bildsprache gelingt – und was du lieber vermeiden solltest, um nicht in gut gemeinter, aber schlechter „Wortturnerei“ zu enden.
Bevor wir uns Regeln ansehen, wie gute Bildwelten funktionieren und wie nicht, stellt sich zunächst die Frage: Warum brauchen wir überhaupt bildhafte Sprache? Lassen wir doch den deutschen Textprofi Wolf Schneider eine Antwort darauf geben:
Hühner höre ich noch gackern, Geflügel nicht mehr.
Was das jetzt mit Bildsprache zu tun hat? Ganz einfach: Je abstrakter ein Begriff ist, umso schlechter können ihn Menschen fassen. Schreibst du also von Geflügel in deinem Text, können sich die Leser kaum etwas darunter vorstellen. Bei Hühnern aber hat jeder gleich ein klares Bild im Kopf.
Und genau das ist das Grundprinzip von Wort-Bild-Welten: Sie helfen dem Leser, sich abstrakte Dinge vorzustellen. Je besser er sich vorstellen kann, was er da eigentlich liest, desto besser erinnert er sich auch daran – ein Ziel, das jeder Texter hat.
In diesem Sinne kann es nun auch schon losgehen mit den wichtigsten Regeln, die du beim bildhaften Texten beachten solltest, um nicht voll ins Fettnäpfchen zu treten:
Regel Nr. 1: Sei kein Weltenbummler
In einer Wortwelt bleiben, das ist die oberste Faustregel. Wenn du verschiedene Sprachbilder mischst, die thematisch nicht zusammenpassen, ist das Chaos im Kopf deines Lesers vorprogrammiert.
Achtung: Besser nicht „mit Volldampf in den sicheren Hafen der Ehe steuern, um in die Pole-Position zu kommen“ – denn Seefahrt und Motorsport passen thematisch nicht in eine Bildwelt. Natürlich kannst du beide Welten in einem Text verwenden, aber sie dürfen nicht im gleichen Satz stehen. Gönne deinem Leser eine kurze Pause und nutze die Motorsport-Bildwelt erst ein oder zwei Sätze nach der Seefahrt.
Regel Nr. 2: Nutze eindeutige Bilder
Ein absolutes No-Go sind Bildfehler im Kopfkino des Lesers. Das passiert vor allem, wenn der Text unstimmige Bilder beinhaltet. Sobald sich der Leser zu fragen beginnt „Soll ich das jetzt wörtlich nehmen oder ist das im übertragenen Sinn gemeint?“, hast du meist schon verloren.
Achtung: Lass den Schiffskapitän lieber nicht einer Sache auf den Grund gehen. Denn auf dem Meeresgrund hat er nun wirklich nichts verloren! Ähnlich ist’s hier: „Die rechte Hand des Kommandeurs geht über den Hof“ – da bleibt zu hoffen, dass es nur der Adjutant war und der Kommandeur noch beide Hände bei sich trägt.
Regel Nr. 3: Auf das richtige Komik-Potenzial kommt es an
Na, hast du eben auch lachen müssen? Ist doch ganz klar, dass schiefe Bilder mal für den ein oder anderen Lacher sorgen. Genau genommen sind alle Metaphern in dem Sinne lustig, wenn man darüber nachdenkt, wie sie entstehen. Durch das Zusammensetzen zweier Wörter entsteht etwas Neues: beispielsweise der Wolkenkratzer oder der Autohimmel.
Regel Nr. 4: In der Kürze liegt die Würze
Bist du erst einmal in eine Wortwelt eingetaucht, entdeckst du meist ganz schnell viele schöne neue Wortspielereien. Und natürlich macht das einen riesigen Spaß – aber ganz schnell schießt du dann auch übers Ziel hinaus und hast einen viel zu verspielten Text, dessen Aussage immer mehr in den Hintergrund gerät.
Achtung: Es wird schwierig, deine Leser wieder zum eigentlichen Thema des Artikels zu bringen, wenn du ihn mit Metaphern ständig in andere Welten transportierst. Enthält jeder Satz eine Metapher, wirkt er außerdem schnell poetisch.
Regel Nr. 5: Wenn du keine Worte findest – lass es lieber bleiben
Wenn dir keine Idee für eine Wortwelt kommt, dann lass es lieber sein. Ansonsten kommen nur seltsame Bilder zustande, die mehr gekünstelt wirken als gekonnt. Texte können nur dann verständlich sein, wenn die Botschaft dahinter mit einfachen Worten und klar vermittelt wird – und nicht mit schiefen Sprachbildern, die keiner kennt.
Regel Nr. 6: Die richtige Dosierung macht’s
Je mehr, desto besser – na ja, in diesem Fall gilt das nicht. Es ist sogar umgekehrt: Setze Wortwelten eher sparsam ein. Gerade weil du sie eher selten verwenden sollst, nutze sie am besten mit Bedacht. Wo können sie ihre Wirkung am besten entfalten? Hier ein paar Beispiele:
- Wenn du mit einer Wortwelt in deinen Text eingestiegen bist, solltest du damit auch wieder aussteigen. Damit rundest du ihn perfekt ab.
- Nutze Wortwelten in Anschreiben und Headlines. Führe damit an das Thema heran.
- Stecke Oberthemen mit Wortwelten ab: Der Bürgermeister nennt während der Wahlzeit seinen Rechenschaftsbericht „Musterstädter Logbuch“ und verwendet das Thema Seefahrt ansonsten in Einführungen oder Überschriften – also mit Bedacht.
- Wortwelten können aber auch eine spannende Ergänzung zu Bildern sein. Das Bild eines Autos mit der Beschreibung „Neuer Stern am Autohimmel: Marke XY“ wirkt viel ansprechender als „Der neue XY“.
Das war jetzt sehr viel Input. Worauf solltest du nun unterm Strich am meisten achten? Was funktioniert super, was ist ein absolutes No-Go?
Zusammenfassung: Tipps für eine gelungene Bildsprache
- Mische keine Wortwelten.
- Nutze nur eindeutige Begriffe.
- Beachte das Komik-Potenzial.
- Fokussiere das Ziel deines Textes, um nicht in Wortwelten zu versinken.
- Erzwinge keine Metaphern, wenn du keine findest.
- Nutze Sprachbilder nur sparsam.
Wenn du diese Punkte beim Redigieren deines Textes beachtest, sollte nichts mehr schiefgehen. Lass am besten – falls möglich – noch mal eine andere Person drüber lesen, denn vier Augen sehen ja bekanntlich mehr als zwei. Außerdem hat jemand anderes vielleicht einen ganz anderen Blick auf die Wortwelten als du.
Vielen Dank für diesen Artikel. Ich bin leidenschaftlicher Textdesigner und nutze sehr gerne die bildhafte Sprache, ich fühle mich dabei wie ein Fisch im Wasser (war das eine eindeutige Bilderzeugung?). Meine Absicht ist neben der Informationsvermittlung eben auch Bilder im Kopf entstehen zu lassen und damit Erinnerungen zu erzeugen.
Leider treffe ich damit, besonders im Bereich SEO und im Content-Marketing doch eher auf Ablehnung, denn für Suchmaschinen ist diese Sprache fremd. Ich versuche dann beide Aspekte möglichst stimmig zu vereinen, für Suchmaschinen texten und für Menschen Geschichten schreiben. VG Arno
Sehr gerne. Die Problematik ist natürlich bekannt: Gleichzeitig das Interesse der Suchmaschinen zu wecken und Filme im Kopfkino des Lesers ablaufen zu lassen, ist nicht immer leicht.
Sie wählen aber genau den richtigen Weg. Denn es hilft weder, wenn Suchmaschinen Ihre Texte zeigen, diese aber nicht gelesen werden. Noch wenn Ihre Texte spannende Bilder hervorrufen, aber niemand sie im Internet findet.
Deshalb weiterhin viel Spaß mit bildhafter Sprache!
Beste Grüße
Stefan Gottschling
Ein Bild sag mehr als tausend Worte…..
Herzlichen Dank für die Tipps. Für unsere Produkte im Onlineshop ist es manchmal schwierig, für den hundertsten Sonnenschirm (von dem man auch noch weiß, dass er vielleicht nicht so gut und schön ist, wie manch anderer Schirm im Shop) immer noch eine bildhafte Beschreibung zu finden. Gibt es auch einen Tipp, wie man das eigene Kopfkino ohne Filmriss am laufen hält?
Sehr gerne. Es freut mich, dass sich doch einige mehr Gedanken um Ihre Texte machen. Es gibt tatsächlich Tipps für das eigene Kopfkino:
1. Lesen. Auch Mal ganz abseits vom eigentlichen Thema: zum Beispiel Gedichte – die sind häufig besonders bildlastig.
2. Auch ein gelegentlicher themenfremder Text kann das Bildrepertoire auffüllen. Stichwort: kreatives Schreiben.
3. Ein Blick in ein Synonym-Wörterbuch bringt häufig eine neue Idee oder ein neues Reizwort. Zum Beispiel: http://synonyme.woxikon.de/
4. Wir haben im SGV Verlag ein eigenes Buch geschrieben. Mit dem Lexikon der Wortwelten laden Sie Ihre Texte blitzschnell mit starken Bildern auf. Und das zu verschiedensten Themen: http://www.sgv-verlag.de/sgvshop/Fachb–cher/Lexikon.html
Das sind einige Hinweise. Natürlich empfehle ich auch immer gerne unseren Textertipp-Newsletter, den Sie unter texterclub.de abonnieren können. Kostet nichts und bringt immer neue Tipps und Tricks rund um starke Texte.
Viel Spaß beim Texten!
Ihr Stefan Gottschling
eine schöne auflistung zum thema kopfkino. es gibt leider einen grossen nachteil dieser art des bloggens/schreibens. und zwar ist diese art des schreibens eine sichere art und weise um trolle zu züchten. ja diese art des schreibens funktioniert aber man wird so schnell zum ziel von spott, hass und neid.
ein privater authentischer blog funktioniert so bestens – ein online shop kann auch funktionieren (zb der kondomvertriebler einhorn aus berlin) aber viele firmen die sich damit versuchen verbrennen sich die finger. denn der leser merkt schnell – ist das wirklich die sprache des unternehmens oder ist es eine show.
darum muss man immer abwägen welche zielgruppe man ansprechen möchte und ob man genug mut hat – mit der bildersprache zu spielen. habs genug erlebt, dass firmen damit gearbeitet haben und dann – weils zu mühsam wurde – aufgehört haben – sowas sieht dann extrem blöd aus :)