Barcamps für Unternehmen: Weiterbildung mit Netzwerkchancen
Heute habe ich ein sehr attraktives Weiterbildungsformat für Unternehmen und Social-Media-Teams im Angebot. Es bietet nicht nur neue und ungewöhnliche Impulse, sondern kann auch das Netzwerk des Unternehmens erweitern. Und es kostet – im Vergleich zu vielen Seminaren – fast nichts. Gibt’s nicht? Doch. Es nennt sich Barcamp, wird hierzulande immer noch massiv unterschätzt und erfordert lediglich eine gewisse Offenheit gegenüber neuen Ansätzen.
Bevor ich jedoch ins Schwärmen verfalle – und natürlich passende Argumente und Beispiele liefere – zuerst zur wichtigsten Frage: Was ist eigentlich ein Barcamp? Das folgende Video bietet die Antwort:
Für alle, die lieber lesen: Barcamps werden auch als „Unkonferenzen“ bezeichnet. Das ist jedoch keine qualitative Abwertung, sondern bedeutet lediglich, dass es sich nicht um klassische Konferenzen handelt. Bei Barcamps werden – in ihrer ursprünglichen Form – Räume und Verpflegung organisiert und von Sponsoren finanziert. Es gibt jedoch keinen thematischen Schwerpunkt und vor allem kein festes Programm.
Denn das bringen die Teilnehmer mit. Der Ablauf ist dann folgender:
- In einer Vorstellungsrunde stellt sich jeder kurz mit Namen und drei Schlagworten/Hashtags vor.
- Danach kann jeder und jede Themenvorschläge für Sessions machen.
- Durch Handzeichen wird abgefragt, wie viel Interesse für das jeweilige Thema vorhanden ist.
- Je nach Größe der Interessentengruppe wird die Session in einem passenden Raum geplant.
- Die Sessions werden auf verschiedene Räume und Zeitpunkte innerhalb der Sessionplanung verteilt.
- Die große Runde löst sich auf, und die Teilnehmer gehen in die Sessions ihrer Wahl.
Inzwischen gibt es zwar viele Variationen – themenbezogene Barcamps, Barcamps mit Keynote-Speakern und Ähnliches – doch das Grundprinzip ist immer gleich: Das Programm wird von den Teilnehmern selbst gestellt und entsteht erst am Tag des Barcamps.
Barcamp als Weiterbildung: Die Chance des Serindipity-Prinzips
Im ersten Moment können Barcamps nach einem netten Treffen Gleichgesinnter aussehen und damit schnell unter dem Label „Hobby“ oder „Freizeitbeschäftigung“ landen. Das wird dem Format und seinem Potenzial jedoch nicht gerecht. Mein Videorückblick zum Tweet Camp oben zeigt, dass auf einem Barcamp oft auch Sessions angeboten werden, die inhaltlich extrem gut und nützlich sind.
Dabei kann es sich um Fachthemen handeln, es können jedoch auch Themen und Impulse sein, auf die du selbst nie kommen würdest. Und du wirst auf jedem Barcamp garantiert Menschen treffen, mit denen du sonst nie Kontakt hättest.
Diese beiden Facetten machen deutlich, dass auf Barcamps das Serindipity-Prinzip seine volle Wirkung entfalten kann. Wikipedia beschreibt das Serindipity-Prinzip als „eine zufällige Beobachtung von etwas ursprünglich nicht Gesuchtem, das sich als neue und überraschende Entdeckung erweist“.
Anders formuliert: Barcamps bieten einen organisierten Rahmen, in dem sich Begegnungen, neue Kontakte und wichtige thematische Impulse ergeben und zu neuen Entwicklungen führen können. Wie das aus Unternehmenssicht aussehen kann, zeigt auch der Tweetcamp-Rückblick der Kollegen von Kreativekommunikationskonzepte.
Mit ist klar, dass das für viele Geschäftsführer oder Leitungskräfte sehr unklar und wenig konkret klingt. Die folgenden fünf Punkte bringen den Nutzen von Barcamps als Weiterbildung daher greifbarer auf den Punkt:
- Auf Barcamps können Mitarbeiter – sowohl von Social-Media-Teams als auch aus anderen Abteilungen – Kontakte zu wichtigen Personen und Unternehmen der jeweiligen Region und des Ortes knüpfen.
- Auf Barcamps können sich Mitarbeiter außerdem einen guten Überblick über die online-affine Szene einer Region oder eines Themenbereiches verschaffen.
- Mitarbeiter können sich – vor allem bei themenbezogenen Camps – fachlich weiterbilden und neue inhaltliche Perspektiven und Erfahrungen anderer mitnehmen.
- Mitarbeiter können auch selbst Sessions zu Fachthemen anbieten. So lassen sich sowohl Präsentationsskills verbessern als auch die Kompetenz des Unternehmens zeigen.
- Vor allem themenbezogene Camps können einen Überblick über den aktuellen Stand zu einem Thema oder Fachbereich bieten. Sie zeigen damit, wo Mitarbeiter, Teams und Unternehmen sich weiterentwickeln oder gezielt fortbilden müssen.
Ganz nebenbei können sich Mitarbeiter von Kommunikations- und Social-Media-Teams auch mit der jeweiligen Online-Szene vernetzen und wichtige Kontakte knüpfen. Nicht nur nehmen an Barcamps auch relevante Influencer und Multiplikatoren teil, die später als Kooperations- oder Ansprechpartner für die Unternehmenskommunikation wichtig werden können. Der Rückblick auf das Barcamp Düsseldorf der Kollegen von der Rheinischen Post zeigt auch, welche Vielfalt und welches Potenzial Barcamps bieten.
Der perfekte Barcamp-Besuch: 7 Tipps für den Einstieg
Im Laufe der Jahre habe ich zahlreichen Kunden empfohlen, ihre Mitarbeiter als Weiterbildung auch auf Barcamps zu schicken. Keiner hat es bis jetzt bereut. Ein mittelständischer Maschinenbauer hat seinen neu eingestellten Social-Media-Manager beispielsweise zuerst auf das lokal stattfindende Barcamp geschickt.
Der Mitarbeiter kam mit vielen neuen Eindrücken zurück und war von dem Erlebnis begeistert. Viel wichtiger: Durch regelmäßige Barcamp-Besuche – es sind schlussendlich ca. drei pro Jahr – bildet er sich nicht nur weiter. Inzwischen hat er auch zahlreiche Kontakte geknüpft, über die verschiedene Dienstleister und sogar neue Mitarbeiter für das Unternehmen gewonnen wurden.
Das passiert natürlich nicht über Nacht. Tragfähige Beziehungen entstehen im Laufe der Zeit und setzen Engagement und aktive Kontaktpflege voraus. Damit du Barcamps deinem Chef als sinnvolle Weiterbildung anpreisen und sie optimal fürs Unternehmen nutzen kannst, habe ich im Folgenden meine sieben wichtigsten Tipps für den erfolgreichen Barcamp-Besuch zusammengestellt.
1. Barcamps als Wissens- und Netzwerkchance sehen
Der erste und wichtigste Punkt ist die Haltung, mit der du oder deine Mitarbeiter zu Barcamps gehen. Barcamps sind keine Werbeplattform und kein Marketingkanal. Auch wenn deine Mitarbeiter oder du selbst Sessions anbieten: Verzichte auf Werbung. Die beste Werbung für dich und dein Unternehmen machst du auf einem Barcamp, indem du eine nützliche Session oder nützliche Kommentare einbringst und ganz entspannt mit den Menschen vor Ort sprichst.
2. Gehe Barcamps offen und neugierig an
Neben dem Netzwerken steht bei Barcamps auch der Weiterbildungs- und Lernaspekt im Mittelpunkt. Daher ist es sinnvoll und wichtig, offen auf ein Barcamp zu gehen und sich auch neuen, vielleicht der eigenen Erfahrung widersprechenden Impulsen nicht zu verschließen. Die Erfahrung anderer mag stark von der deines Unternehmens abweichen, doch gerade in solchen Impulsen liegt enormes Potenzial. Wenn du oder deine Mitarbeiter Inspiration zulassen und neues aufnehmen, kann ein Barcamp sehr viel wertvollen Input bieten. Auf Barcamps kannst du auch hervorragend neue Themen für deine Unternehmenskommunikation finden.
3. Barcamps gezielt auswählen
Eine entspannte Grundhaltung ist wichtig, doch wenn du direkt von einem Barcamp profitieren willst, ist die Auswahl des passenden Camps bzw. Barcamps entscheidend. Willst du dich und dein Unternehmen lokal vernetzen? Dann empfehle ich dir den Besuch eines offenen Barcamps mit lokalem Bezug. Sollen sich deine Mitarbeiter zu einem bestimmten Themen inspirieren lassen oder weiterbilden? Dann ist ein themenbezogenes Camp sinnvoller.
4. Barcamps und Mitarbeiter vorbereiten
Eine entspannte und auf Netzwerken ausgerichtete Haltung ist wichtig. Doch das bedeutet nicht, dass du ein Barcamp einfach auf dich zukommen lässt. Idealerweise schaust du dir im Vorfeld an, wer an dem Barcamp teilnimmt – die Teilnehmerliste ist oft öffentlich einsehbar – und welche Sessionvorschläge es vielleicht schon gibt. Zwar ist nicht garantiert, dass diese Sessions auch stattfinden, das entscheidet sich erst am Barcamp-Tag selbst. Doch du kannst dir einen Eindruck verschaffen und zumindest ein wenig planen, was dich interessiert.
5. Über das Barcamp sprechen
Snapchat ist inzwischen zwar ein angesagtes Netzwerk, doch auf Barcamps spielt Twitter nach wie vor die größte Rolle, dicht gefolgt von Facebook und Instagram. Egal welches Netzwerk du nutzt: Sprich über das Barcamp, an dem du teilnimmst. Twittere gute Aussagen und Zitate aus Sessions, weise auf Blogs guter Sessiongeber hin, erstelle Bildcollagen mit deinen Eindrücken, kurze (Video-)Interviews … Die Möglichkeiten sind schier endlos. Wichtig ist: Zeige online, dass du dabei bist, und werde Teil der Barcamp-Community. Bonustipp: Nutze einen Barcamp-Besuch als Aufhänger für einen Blogartikel oder dokumentiere das Barcamp im Rahmen eines Storifys. Wie das funktioniert, zeigt dir Lars Hahn in diesem Artikel.
6. Kontakte knüpfen und pflegen
Es klingt vielleicht altmodisch, doch Visitenkarten – ja, aus Papier – haben auch auf Barcamps ihre Berechtigung. Sie dienen dazu, vor Ort geknüpfte Kontakte auch danach nicht aus den Augen zu verlieren. Alternativ kannst du auch direkt vor Ort deinen Gesprächspartnern eine Kontaktanfrage bei Xing oder LinkedIn schicken und ihnen auf Twitter – falls sinnvoll und erwünscht – folgen. Wichtig ist, dass du nichts davon forcierst und nur dann den Kontakt vertiefst, wenn der Wunsch von beiden Seiten kommt.
7. Eigene Sessions nach Kontext ausrichten
Du oder deine Mitarbeiter können auf Barcamps eigene – nicht werbliche – Sessions anbieten. Damit diese jedoch wirklich nützlich sind und die anderen Teilnehmer von eurer Kompetenz überzeugen, solltest du den Kontext beachten und die Session entsprechend anpassen. Das bedeutet: Schau dir an, wer auf dem Barcamp ist, welche Themen auf Interesse stoßen und wie das Wissens- und Erfahrungsniveau der Teilnehmer zu deinem oder eurem Thema aussieht. Passe die Session darauf an, und sie wird vielen Leuten Nutzen bieten. Dadurch wird dann auch online positiv über die Session gesprochen und du, respektive dein Unternehmen, erhältst zusätzliche Aufmerksamkeit.
Kurze Zusammenfassung mit Zusatztipps
Wenn du diese sieben Tipps beherzigst und dich und/oder deine Mitarbeiter gut vorbereitest, kann ein Barcamp eine hervorragende Weiterbildung sein, von der auch das Netzwerk deines Unternehmens profitiert. Das Beste: Barcamps kosten – im Vergleich zu vielen Seminaren – fast nichts. Bis auf die Arbeitszeit und vielleicht noch Fahrtkosten muss ein Unternehmen daher kaum Geld investieren. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis ist aus meiner Sicht und Erfahrung unschlagbar.
Wenn du dich weiter über Barcamps informieren willst, empfehle ich die bei den Kollegen Jan Theofel und Stefan Evertz vorbei zu schauen. Beide organisieren professionell Barcamps und teilen ihre Erfahrungen auf ihren Blogs und in ihren Netzwerken.
Und wenn du mehr Erfahrungsberichte von Barcamp-Fans lesen willst, empfehle ich dir die Blogparade „Nutzen von Barcamps“ von Rouven Kasten.
Artikelbild: Martin Mummel/GRVTY
Danke für den sehr ausführlich informativen & vor allem lehrreichen Beitrag ★