Querdenker im Unternehmen: dringend gebraucht
Wer die Zukunft erreichen will, benötigt neue Ideen. Andere Ideen. Bessere Ideen. Ideen, die bislang noch nicht gedacht worden sind. Viele solcher Ideen. Querdenker sind dabei erste Wahl – wenn man sie im Rahmen einer Querdenkerkultur in Unternehmen tatsächlich machen lässt. Ob du das Zeug zum Querdenker hast, zeigt ein Test am Ende des Beitrags.
In der voranschreitenden Digitalökonomie braucht ein Unternehmen nicht nur passende organisationale Strukturen und ein effizientes Innovationsmanagement, sondern auch eine ausgeprägte Querdenkerkultur mit umfassendem Spielraum fürs Experimentieren. Denn Tatsache ist: Wir stecken mitten drin im größten Change-Prozess aller Zeiten.
Und die Folge? Selbst das perfekteste Produkt von gestern ist morgen veraltet, weil es dann etwas Besseres gibt. Eine Firma ist eben nicht deshalb gut, weil sie einmal einen Kassenschlager entwickelt hat. Sie ist gut, weil sie die Fähigkeit in sich trägt, Potenziale für Kassenschlager stets früh zu erkennen und diese am laufenden Band zu erschaffen.
Permanente Vorläufigkeit: die neue Normalität
Wie niemals zuvor besteht die Zukunft aus Ungewissheit. Unerwartete Ereignisse lauern an jeder Ecke. Wir wissen nicht, ob oder wann sie kommen, doch wenn, dann kommen sie schnell. Sie werden Risiken und Chancen ganz neu verteilen. Nur die wendigen, flinken, pfiffigen, jederzeit anpassungsfähigen Marktplayer mit couragierten, unkonventionellen, marktrelevanten Ideen werden das überleben.
Überall auf der Welt definieren Visionäre gerade das Mögliche neu. Bahnbrechende Innovationen kommen am laufenden Band und wie aus dem Nichts. Mutige neue Anbieter mit ihren frechen, wilden, kühnen Ideen schieben sich immer weiter nach vorn. Sie erwirtschaften Megaumsätze mit Technologien, die es vor wenigen Jahren nicht einmal gab. Sie besetzen die Geschäftsfelder der Zukunft und werden ganze Industrien verändern.
Alles Neue zieht die Menschen wie magisch an
Die neuen Marktplayer begeben sich erst gar nicht auf Aufholjagd. Sie versuchen auch nicht, alte Technologien aufzupeppen. Sie überspringen sie einfach. Herkömmliche Branchengesetze sind ihnen komplett egal. Gewohntes wird radikal infrage gestellt. Unbekümmert und forsch kreieren sie die Dinge völlig anders und neu. Mit Nischengespür packen sie jede Chance beim Wickel, die sich durch die fortschreitende Digitalisierung ergibt. Dabei entstehen Innovationen, die die Welt so umfassend verändern wie kaum jemals zuvor.
Das Neue wiederum zieht die Kunden wie magisch an. Genügend Menschen werden es kaum abwarten können, Innovationen auszuprobieren, vor allem dann, wenn diese sie erfolgreicher machen und/oder ihnen ein besseres Leben verheißen. Aus den positiven Erfahrungen solcher Early Adopter, Vorreiter und Pioniere erwachsen dann neue Anforderungen an alle Anbieter im Markt. So wird das Neue zu einem unverzichtbaren Teil unseres Lebens. Was menschenmöglich ist, erweitern, optimieren und innovieren wir, seit es uns Menschen gibt.
Mit Allerweltlösungen kommt man nicht weit
Der technologische Fortschritt zwingt jeden dazu, sich immer wieder neu zu erfinden. Vor allem Andersartigkeit und das einfallsreiche Neukombinieren von Möglichkeiten bringen von nun an Erfolg. Nur das Besondere, Faszinierende, Bemerkenswerte hat eine Zukunft. Bei Allerweltlösungen und Beliebigkeit entscheidet allein der Preis. Dann soll es wenigstens billig sein. Für die Bilanz ist das verheerend.
Interne Querdenker sind hierbei oft die ersten, die instinktiv merken, wenn in der Firma was aus dem Ruder läuft. Sie sprühen vor Ideen, wie man das, was in die Jahre gekommen ist, besser machen könnte, sollte und müsste – im Kleinen wie im Großen. Sie sind der Voraustrupp ins Neuland. Sie bringen Metamorphosen in Gang, damit ihrer Firma der Sprung in die Zukunft gelingt.
Individualisierung, Emotionalisierung, Erlebnisse
Früher hatten alle die gleiche Schallplatte, heute hat jeder seine ganz persönliche Playlist. Will heißen: Kunden wollen keine Massenprodukte und Gleichmacherei, sondern Originalität, Unikate und zudem Varianz. Individualisierung, Emotionalisierung und Erlebnisse, auch Customer Experiences genannt, sind heute die ganz großen Trends. Wer auf diese Kundenbedürfnisse eingeht, sorgt für Loyalität, für Weiterempfehlungen und für Aufpreisbereitschaft.
Will man sich also aus der Belanglosigkeit lösen, braucht es ständig neue Ideen – von Menschen, die unvergleichliche, außergewöhnliche Dinge denken und tun. Indem man einfallsreich und erfinderisch die „Ideenfunken“ seiner Querdenker nutzt, macht man sich spannend – und damit begehrlich. Man kann gar nicht genug verrückte Ideen haben, um seine Kunden immer wieder neu zu betören. Querdenker sind dafür geradezu prädestiniert.
Querdenker sorgen für unkonventionelle Ideen
Zukunft beginnt mit neuem Denken, dem dann Taten folgen. Wo dabei „quer“, also breit und unkonventionell gedacht und gemacht werden darf, tauchen schnell die tollsten Lösungen auf. Somit sind Querdenker im Unternehmen ein echter Wettbewerbsvorteil. Sie sind offen für Fortschritt und treiben mit frischem Wind den Wandel voran. Über Abteilungsgrenzen hinweg entwickeln sie Initiativen, die Ideen, Wissen und Einsichten miteinander verknüpfen und das ganze Unternehmen befruchten. Dies führt zu ständig neuen herausragenden Lösungen, mit denen man interne Prozesse zeitgemäßer gestalten und das Leben der Kunden erleichtern und/oder bereichern kann.
Doch in den meisten Firmen sind Querdenker gar nicht erwünscht. Man hat sie fortgejagt, kaltgestellt, kleinmütig gemacht. Oder man lässt sie gar nicht erst ins Unternehmen hinein. Bereits im Bewerbungsprozess werden Querdenker aussortiert, weil sie mangelnden Konformismus zeigen. Würden sich die Unternehmen mehr für Querdenker öffnen und eine konstruktive Querdenkerkultur etablieren, täten sie sich mit dem Sprung in die Zukunft unglaublich leicht.
Der Unterschied zwischen Querdenker und Querulant
Das Denken gegen die Regel zählt zu den maßgeblichen Erfolgsfaktoren, um sich von Durchschnitt und Mittelmaß abzuheben. Wer das nicht versteht, wird Querdenker als Querulanten abqualifizieren. Doch damit liegt er falsch. Querulanten sind Personen, die an allem etwas auszusetzen haben, die sich wegen jeder Kleinigkeit beschweren und starrköpfig darauf pochen, Recht zu haben. Sie legen sich quer um des Querlegens willen. Sie stänkern rum, verbreiten schlechte Stimmung, befeuern die Gerüchteküche, spinnen Intrigen und zetteln Streitigkeiten an. Man kann sie auch als Miesmacher und Quertreiber bezeichnen. Ihr Verhalten ist destruktiv und zu nichts nutze.
Querdenker hingegen agieren grundsätzlich konstruktiv. Sie wollen nichts zerschlagen, keine Barrikaden errichten und auch nicht zündeln. Ihre Vorstöße zielen auf die Verbesserung einer jeweiligen Situation. Sie sind sanfte, schöpferische, förderliche Rebellen, aber keine Aufständischen, Saboteure oder Untergrundkämpfer. Sie sind Menschen mit Mut und Urteilskraft. Sie haben ein gutes Gespür für Ungereimtheiten. Sie sind keine Besserwisser, sondern zeigen Missstände auf. Genau deshalb sind sie Störer in einem sehr wichtigen Sinn.
Wachrüttler, Vorwärtsbringer, Übermorgenmacher
Querdenker sind Brückenbauer zwischen gestern und morgen, Helfershelfer auf dem Weg in die Zukunft, Lotsen in die kommende Zeit. Sie sind Wachrüttler, Infragesteller, Kundschafter, Wegbereiter, Vorwärtsbringer, Übermorgenmacher. Sie sind Mittler zwischen veraltetem Tun und zukunftsfähigen Vorgehensweisen. Sie sprengen den „So machen wir das hier“-Rahmen“ und setzen Impulse ganz neu. Sie ehren das Gute und plädieren zugleich für das bessere Neue.
Sie reden Klartext, wenn sie Verfahrensweisen aufgespürt haben, die aus der Zeit gefallen sind. Sie brandmarken alles, was für Kollegen und Kunden eine Zumutung ist. Sie intervenieren und erkennen Unzeitgemäßes. Die zahlreichen „blinden Flecken“, die es in jedem Unternehmen gibt, machen sie sichtbar. Von Ausflüchten und Schönrederei lassen sie sich nicht blenden. Sie kämpfen sogar gegen Windmühlen an. All das tun sie, weil ihr Unternehmen und dessen Fortkommen ihnen wirklich am Herzen liegt.
Quergedacht: ein entscheidender Wettbewerbsvorteil
„Quer“ ist ein Kernfaktor in der organisationalen Struktur. Innovationen entstehen interdisziplinär. Kundenprojekte werden in fachübergreifenden Teams entwickelt. Prozesse werden crossfunktional optimiert. Bürokratie muss bereichsüberlappend abgebaut werden. Digitalisierung und Agilisierung sollen jeden Winkel im Unternehmen erfassen. Auch eine Kundenreise, die Customer Journey, verläuft immer quer durch die Unternehmenslandschaft über Abteilungsgrenzen hinweg.
Klassische Unternehmen hingegen agieren noch immer in Silo-Strukturen. Die Hauptaktionsrichtung verläuft dabei vertikal, also topdown und wieder zurück. Das passt nicht zusammen. Wenn sich in der Außenwelt alles miteinander vernetzt, dann muss das auch drinnen in den Unternehmen passieren. Die Interdisziplinären, die Generalisten und Horizontal-durch-das Unternehmen-Agierer spielen dabei eine entscheidende Rolle. Insofern sind Querdenker auch Silosprenger. Doch nicht jeder Silo-Bewohner wird sich darüber freuen. Diese werden Bestehendes zu Zwecken der Selbstbestätigung glorifizieren – und von daher das Vorankommen boykottieren.
Querdenker sind Silosprenger und Regelbrecher
Wie Wandel und Innovationen entstehen? Jemand löst sich von herkömmlichen Vorgehensweisen und darf Neuland betreten. Wird jedoch alles nach Plan geregelt und werden die Angestellten für Linientreue belohnt, ist es nur logisch, dass es in dieser Firma keine Talente mit Querdenkermentalität gibt. Es ist die Command & Control-Diktatur, die sich nun rächt. Wem immer alles vorgedacht wurde, der hat das mitdenken verlernt. Dann darf sich eine solche Firma aber nicht wundern, wenn sie in ein paar Jahren nicht mehr existiert.
Alphahierarchische Unternehmenslandschaften, die jeden Handgriff in feste Prozesse gießen, machen hochtalentierte Menschen zu Hampelmännern des Systems. Sie nehmen ihnen die Luft zum Atmen und eisen alles ein. Sie blockieren den Freiraum für Weiterentwicklung. Regeln, Standards und Normen müssen gebrochen werden, wenn sie sich als veraltet, als hinderlich oder als unsinnig erweisen. Deshalb sind Querdenker zwangsläufig Regelbrecher. Sie erlösen ein Unternehmen aus seiner Starre und versorgen es mit Dynamik und Quirligkeit, um die Wildwasser der Zukunft zu meistern.
Hast du Querdenker-Potenzial? Ein kleiner Test
„Den“ Querdenker gibt es nicht. Dieses Persönlichkeitsmerkmal ist – so wie alle anderen auch – bei den Menschen unterschiedlich verteilt. Die jeweilige Ausprägung ist teils angeboren, teils kulturell geprägt und zudem kontextgebunden. Der jeweilige Grad lässt sich auf einer Skala verorten. Mit dem folgenden Test kannst du ermitteln, ob du das Zeug zum Querdenker hast.
Und so geht’s: Bestimme anhand der Fragen zunächst selbst, wo du dich jeweils siehst. Errechne aus den Einzelwerten dann den Mittelwert. Solche Elferskalen visualisieren einen gefühlten Zustand ziemlich präzise, ohne dass er lang und breit erklärt werden muss. Statt eines kategorischen Gut oder Schlecht werden Grauzonen sichtbar.
gering ausgeprägt hoch ausgeprägt | |
1. Gehst du überschaubare Risiken ein, wenn du es für wichtig hältst? | |
2. Machst du dir oft Gedanken, wie man etwas verbessern könnte? | |
3. Bist du konfliktfähig – in einem konstruktiven Sinn? | |
4. Bist du neugierig, wissensdurstig und jederzeit lernbereit? | |
5. Bist du experimentierfreudig, was Neues betrifft? | |
6. Hast du öfter unkonventionelle Ideen? | |
7. Hast du Überzeugungskraft und Durchhaltevermögen? | |
8. Bist du bereit, für deine Überzeugung Nachteile in Kauf zu nehmen? | |
9. Hast du persönliche Werte, die du leidenschaftlich vertrittst? | |
10. Veränderst du gern Dinge, auch wenn sie gut laufen und noch passen? |
Sowohl Selbstbild als auch Fremdbild ermitteln
Nachdem du die Selbstbewertung gemacht hast, wähle etwa fünf Personen aus, die eine Meinung über dich abgeben können. Entscheide dich für eine gute Mischung aus Fans, neutralen Personen und Kritikern. Je nach Situation können auch Kollegen, Mitarbeiter und unmittelbare Vorgesetzte dabei sein. Erläutere den Sinn und Zweck deiner Vorgehensweise und bitte um eine pointierte Bewertung auf der linken oder rechten Seite der Skala. Mittelwerte sind uninteressant, sie sagen rein gar nichts.
Weshalb eine Fremdbewertung wertvoll ist? Jeder Mensch hat Persönlichkeitsanteile, die sich der eigenen Wahrnehmung entziehen, von Dritten aber gut erkannt werden können. Diese aus welchen Gründen auch immer für einen selbst verborgenen Eigenheiten haben den Namen „blinde Flecken“ erhalten. Doch sie können sichtbar gemacht werden. Übergebe also denen, die dich bewerten sollen, ein Blatt mit den Fragen. Jeder soll seine Bewertung auf der Skala markieren und den Mittelwert bilden.
Und dann? Auch wenn es womöglich wehtut oder erschreckt: Ermittle die Abweichungen zwischen deiner eigenen Bewertung und derjenigen Dritter. Dort, wo dies möglich ist, kannst du dein Umfeld nach Begründungen oder Erklärungen fragen – und auch um Hilfe bitten. Ein Dank an alle Beteiligten, verbunden mit dem Hinweis, dass du Nützliches über dich gelernt hast, rundet das Vorgehen ab.
Das Buch zum Thema
Anne M. Schüller
Querdenker verzweifelt gesucht
Warum die Zukunft der Unternehmen in den Händen unkonventioneller Ideengeber liegt
Mit einem Vorwort von Gunter Dueck
Gabal Verlag 2020, 240 Seiten / ISBN: 978-3-86936-998-3 / Bei Amazon
Artikelbild: Martin Mummel/GRVTY
Hallo Frau Schüller,
was für ein motivierender und mitreißender Text – Dankeschön!
Querdenken ist anstrengend, nicht nur für die anderen, auch für sich selbst.
Aber es lohnt sich!
Sonst wäre die Erde heute noch eine Scheibe und das Rad nicht rund :-)
Viele Grüße
Heike Lorenz
Hallo Frau Lorenz, freut mich, dass er Ihnen gefällt. Vielen Dank.
Danke für diesen tollen Beitrag! Der kurze Selbsttest ist super. Ich denke auch, dass das Problem bereits oft schon in der Personalauswahl beginnt. In meiner theoretischen Ausbildung in Personal habe ich gelernt, dass Personaler in erster Linie risikoscheu sind. Das liegt in vielen Fällen auch an falschen Managementvorgaben. Personaler erhalten keine Wertschätzung dafür, wenn sie Querdenker einstellen. Der Erfolg eines Querdenkers wird nie den Personaler zugeschrieben, der Misserfolg hingegen schon. Da sollte man im Management ansetzen.
Ja, Herr Duran, da haben Sie leider recht.