Corporate Blogs in Corona-Zeiten: Stress pur oder alles easy? Ein Stimmungsbild
Ja, mach nur einen Plan!
Sei nur ein großes Licht!
Und mach dann noch’nen zweiten Plan
Gehn tun sie beide nicht.
Die „Ballade von der Unzulänglichkeit menschlichen Planens“ von Bertolt Brecht ist in den vergangenen Monaten vermutlich mehr als einmal zitiert worden. Wir alle haben uns darauf einstellen müssen, dass momentan wenig so läuft wie geplant – von der täglichen Arbeit bis hin zur Freizeitgestaltung. Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf das Management von Corporate Blogs? Ich habe mich unter erfahrenen Blog-Verantwortlichen umgehört, wie sie mit der Situation umgehen.
Krise hin oder her: Kernthemen bleiben weiterhin wichtig
„Wir nehmen im Blog immer sehr stark Bezug auf aktuelle Themen aus der Digital- und Netzpolitik und thematisieren auch immer wieder Neuigkeiten aus der Netzwerk- und Security-Branche. Unsere grundsätzliche inhaltliche Ausrichtung ist gleichgeblieben“, berichtet André Fassbender von Lancom, der das CEO-Blog „Auf ein Wort“ von Geschäftsführer Ralf Koenzen betreut. „Viele Themen entwickeln sich aber aufgrund der Krise deutlich langsamer. Das erschwert uns die Recherchearbeit, da wir im Blog häufig auf aktuelle Ereignisse Bezug nehmen.“
Allerdings hätten sich durch die Krise auch neue Themen ergeben: „Wir haben unter anderem einen Beitrag über Datenschutz im Kontext der Digitalisierung deutscher Schulen während der Corona-Krise veröffentlicht. Außerdem gab es einen Beitrag zum Thema Homeoffice und Business Continuity Management. Zudem haben wir über die „Virtualisierung“ von Trainings, Roadshows und Events gebloggt.“
Hat sich die BKK ProVita, deren „Blog fürs Leben“ Anfang 2020 gelauncht wurde, stark umstellen müssen? „Jein – wir haben nur ein Thema, ein Positionspapier zu Antibiotika-Resistenzen, geschoben, weil wir es aktuell nicht für günstig halten, es zu bringen“, erzählt Angelica Bergmann, die Social Media Lead bei der Krankenkasse ist.
Für aktuelle Bezüge sind Social Media Posts besser geeignet.
„Aktuell gibt es drängendere Themen zum Oberthema Arzneimittel. Aber das kann sich mittelfristig auch wieder ändern – man könnte sogar einen Bezug herstellen zum aktuell ja auch kritisch beäugten Thema, dass Medikamente nicht mehr bei uns hergestellt werden. Bei anderen Blogartikeln haben wir den Bezug zu Corona bewusst vermieden, damit diese weiterhin „gültig“ sind – für aktuelle Bezüge sind Social Media Posts besser geeignet.“
Auf dem Frosch Blog gab es ebenfalls nur wenige Änderungen, sagt die Blog-Verantwortliche Janina Ziegler: „Wir haben den Redaktionsplan wie geplant umgesetzt, da es keine Beiträge gab, die mit der Corona-Thematik in Konflikt gestanden hätten. Wir haben lediglich einen Beitrag zum richtigen Händewaschen kurzfristig eingestreut und dabei ein Poster zum Download bereitgestellt.“
Das Blog der GLS Bank wurde dagegen unmittelbar um Corona Content ergänzt, sagt der Blog-Verantwortliche Rouven Kasten. „Es war uns ein Anliegen, Sorgen und Nöte auch von Mitarbeiter*innen zum Ausdruck bringen zu können. Wir haben mit dem Vorstandssprecher Thomas Jorberg einen Podcast aufgenommen und zwei Interviews gedreht. Er ist auf die wichtigen Themen rund um Corona aber auch die Zeit danach eingegangen. Viele gesellschaftspolitische Themen kamen noch oben drauf.“
Darüber hinaus habe es Informatives rund um Fördergelder gegeben sowie Berichte über Möglichkeiten „für Künstler, zu spenden bei der Aktion #KunstNotHilfe, die wir zusammen mit dem Peer2Peer Netzwerk elinor ins Leben gerufen haben. Bis heute wurden über 130.000 Euro gesammelt und an über 170 Künstler*innen weitergegeben.“
Was haben notwendige Anpassungen im Redaktionsplan bewirkt?
„Neue Beitragsthemen waren kaum planbar und wir mussten die Erstellung der Beiträge sehr agil angehen. Allerdings ist das in unserer Redaktion kein unübliches Vorgehen, da wir – wie schon erwähnt – häufig auf tagesaktuelle Themen Bezug nehmen“, sagt André Fassbender von Lancom.
„Gleichzeitig haben wir vor allem in den ersten drei bis vier Wochen der Krise gemerkt, dass wir in unseren Social-Media-Kanälen erst einmal auf einen Teil der reichweitenstarken Beiträge zu Events und Veranstaltungen verzichten mussten. Auch viele Beiträge, die uns als Arbeitgebermarke stärken und das Miteinander bei LANCOM zeigen, sind teilweise weggefallen. Das hat sich in den letzten Wochen wieder etwas relativiert, da zum Beispiel neue, digitale Formate entstanden sind, die wir für Beiträge in unseren Social-Media-Kanälen nutzen konnten.“
„Wir versuchen, unsere Fans da abzuholen, wo sie gerade sind“, betont Angelica Bergmann von der BKK ProVita. „Das ist zurzeit dann eben die Corona-Krise. Wir haben zusätzliche Posts aufgenommen, z. B. zum Thema Händewaschen im Vorfeld und Anfang der Krise, einen Post zu unserem laufend aktualisierten FAQ rund um Corona auf unserer Website etc. – da wir als Krankenkasse von dem Thema ja unmittelbar „betroffen“ bzw. einer der handelnden Akteure sind.“ Umgekehrt sei es wichtig, dass das „Kernthema Nachhaltigkeit“ nicht untergehe. „Wir haben hierzu zusammen mit dem Verband Unternehmensgrün, bei dem wir Mitglied sind, eine Petition unterschrieben und kommuniziert.“
Gerade zu Beginn der Krise haben alle sehr emotional reagiert und der Zusammenhalt war sehr stark.
Social Communities schätzen Kontinuität und Engagement
André Fassbender von Lancom Systems hat nur geringfügige Veränderungen bei der Reichweite und Interaktion des Blogs wahrgenommen. „Ich persönlich hatte die Erwartung, dass die Kommunikation und Interaktion mit Partnern und Kunden sich während der Krise noch stärker in unsere Social-Media-Kanäle verlagert. In den ersten zwei Wochen war dies auch der Fall, danach ist dann mehr oder weniger die Routine wieder eingekehrt. Besonders gut sind Beiträge gelaufen, die gezeigt haben, wie wir als Unternehmen die Krise bewältigen. Da hat man schon gemerkt, dass gerade zum Beginn alle sehr emotional reagiert haben und der Zusammenhalt – auch über Unternehmensgrenzen hinweg – sehr stark war.“
Angelica Bergmann hat keine wesentlichen Veränderungen bei Fans und Followern beobachtet. „Das mag auch an unseren Werten liegen, die stabil unser thematischer Maßstab sind und der Grund, warum viele Fans uns folgen. Sprich: Die Posts kommen so gut an wie vorher und unsere Kernthemen Ernährung, Verantwortung, Achtsamkeit und Bewegung sind auch jetzt noch Themen für die Fans. Da haben wir vermutlich auch Glück, dass sie weiterhin so gut passen und wir als Kasse Teil des Gesundheitssystems sind.“
Wir wollten auf keinen Fall Profit aus der Krise schlagen.
„Wir haben festgestellt, dass die User verstärkt nach Desinfektionsmitteln und Produkten fragen, die möglicherweise als Alternative zu einem Desinfektionsmittel eingesetzt werden können“, berichtet Janina Ziegler vom Frosch Blog. „Prinzipiell waren die Reaktionen auf unsere Posts nicht anders als sonst. Das sehen wir als Bestätigung unserer Entscheidung, unseren Redaktionsplan nicht an Corona anzupassen. Es wäre für uns ein Leichtes gewesen, verstärkt in diese Richtung zu kommunizieren. Wir haben uns jedoch bewusst dagegen entschieden, da wir auf keinen Fall Profit aus der Krise schlagen wollen.“
„Einen Redaktionsplan haben wir nicht. Wir haben jedoch intensiver als sonst gebloggt und gepostet“, erzählt Matthias Schultze, alias Maler Heyse vom Maler Heyse Blog. „Wir hatten eine sensationelle Steigerung der Interaktionsraten auf allen Kanälen. Allen voran Pinterest mit fast 100 Prozent Steigerung. Wir haben durchweg positives Feedback auf unseren Gesamtcontent. Das ist aber unabhängig von der Corona-Schei… 😉.“
Engagement wurde in den sozialen Netzwerken immer positiv aufgenommen.
Bei Rouven Kasten wurde es im täglichen Community Management dagegen etwas ruhiger. „Viele Menschen scheinen derzeit andere Sorgen zu haben. Engagement wurde immer positiv aufgenommen. Wir hatten bisher auch nicht das Gefühl, Corona zu sehr zu Marketingzwecken auszunutzen, im Gegenteil, es gab viel positiven Zuspruch.“
Fazit: Blog-Verantwortliche steuern mit ruhiger Hand durch die Corona-Krise
Das Stimmungsbild zeigt: Die befragten Blog-Verantwortlichen steuern insgesamt mit ruhiger Hand durch die Krise. Sie erliegen nicht der Versuchung, jetzt auf den Zug aufzuspringen, schnell ein wenig mehr Aufmerksamkeit und Klicks zu erhaschen. Das liegt sicher nicht zuletzt daran, dass sie bei aller gefragten Agilität den langfristigen roten Faden für die Inhalte auf dem Corporate Blog im Blick haben. So fällt es viel leichter, im aktuellen Kontext zu unterscheiden, welche Themen vorerst gekippt beziehungsweise zusätzlich aufgenommen werden sollten.
Artikelbild: Martin Mummel/GRVTY
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