Neue Audioformate in den sozialen Netzwerken: Eine Chance für die Corporate Communication?
Musik, menschliche Sprache und sogar Videoinhalte haben alle eines gemeinsam: Sie basieren auf Audio oder transportieren zumindest einen großen Teil der Information akustisch. Nicht von ungefähr sprechen wir vom Urknall – einem eindeutig akustisch geprägten Vergleich – und nutzen Musik, um unsere Stimmung zu beeinflussen.
Radio- und Werbeexperte Sam Crowther geht in der W&V (Ausgabe 17/2017) sogar soweit zu sagen:
Audio ist der reinste Weg zu den Gefühlen der Menschen.
Auch auf Zielbar haben wir bereits über Podcasts und den Einsatz von Audio im Marketing geschrieben.
Hier ist es jedoch wie in allen anderen Bereichen der Online-Kommunikation: Die Entwicklung schreitet schnell voran und neue Audioformate und -plattformen schießen wie Pilze aus dem Boden. Heute stellen wir die wichtigsten – und ihre mögliche Anwendung in der Praxis – vor.
Facebook Audio-Livestreaming: Neues Angebot mit viel Potenzial
Rein technisch ähnelt Facebook Live Audio dem bereits bekannten Video-Livestreaming. Für Facebook-Fans und -Zuhörer wird ein Standbild mit einer animierten Audiowelle eingeblendet.
Auf Android können Livestreams laut Facebook auch dann angehört werden, wenn das Telefon gesperrt ist. Und auf iPhones können Nutzer weiterhin zuhören, während sie in Facebook weiterscrollen.
We know that people often like to listen to audio while doing other things; people using Android devices will be able to continue listening to a Live Audio broadcast even if they leave the Facebook app or lock their phones, while iOS listeners will be able to continue listening as they browse other parts of Facebook.
(Zitatquelle: Facebook Newsroom)
Die Vorteile von Live Audio im Gegensatz zu Live Video sind offensichtlich:
- Geringerer Datenverbrauch und gute Qualität selbst bei schlechter Datenverbindung.
- Einfacher zu konsumieren, da Audio-Livestreams auch im Hintergrund oder bei weiterer Nutzung von Facebook angehört werden können.
- Konzentration auf den bei vielen Livestreams relevanten Kanal: die Audiospur.
- Die Produktion von Audio-Livestreams kann auch an optisch nicht ansprechenden Orten stattfinden.
- Eine ordentliche Audioqualität lässt sich verhältnismäßig einfach sicherstellen. Da es sich um einen reinen Audio-Livestream handelt, kann auch mit großen Headsets gearbeitet werden, die optisch komisch aussehen, klanglich jedoch hervorragend sind.
Trotz der vereinfachten Produktion bietet Live Audio auf Facebook die gleichen Vorteile wie Video-Livestreams. Auch hier ist mit hoher Interaktion und Reichweite zu rechnen. Letztere vor allem zu Beginn, da Facebook erfahrungsgemäß neue Formate aktiv pusht und vielen Nutzern zugänglich macht.
Ein hervorragendes Facebook Live Audio finden Sie bei den Kollegen von allfacebook.de.
Live Audio auf Facebook: Erfolgsfaktoren und Einsatzmöglichkeiten
Aktuell, sprich im September 2017, befindet sich Live Audio noch im Rollout, Facebook-Seiten erhalten die Funktion also erst nach und nach.
Dennoch ist es für Unternehmen und Marken sinnvoll, sich schon jetzt mit der kommenden Live-Audiofunktion zu befassen. Da ich sie auf meinen Seiten auch noch nicht habe, bei Kunden aber schon testen konnte, hier einige Faktoren, auf die es für erfolgreiche Audio-Livestreams auf Facebook ankommt:
- Informiere deine Community und Kunden rechtzeitig über den Livestream und kündige ihn früh genug an.
- Wähle einen aussagekräftigen Text und Titel für die Beschreibung deines Audio-Livestreams.
- Auch wenn es ein Audioformat ist: Achte auf ein Standbild, das Aufmerksamkeit erregt. Nach wie vor ist Facebook ein sehr optisch geprägtes Netzwerk.
Abseits dieser handwerklichen Tipps stellt sich jedoch die Frage, wofür Unternehmen Live Audio auf Facebook strategisch und taktisch einsetzen können.
Auf der strategischen Ebene kann Facebook Live Audio beispielsweise die Quelle für einen Podcast sein. In diesem Fall wird die Aufnahmen live gestreamt, das Signal aber noch mal vor Ort aufgezeichnet und danach ganz normal in iTunes und andere Podcast-Verzeichnisse eingespeist.
Der große Vorteil: Durch den Livestream kann auch Interaktion entstehen, und Fragen der Zuhörer lassen sich in die Sendung integrieren. Wenn Unternehmen oder Marken solche Livestreams regelmäßig – vielleicht sogar an einem festen Tag in der Woche oder im Monat – produzieren, entsteht so idealerweise eine aktive Community. Auf Facebook erreichen Unternehmen zudem Menschen, die nicht zur klassischen Podcast-Hörerschaft gehören.
Auf taktischer Ebene kann Facebook Live Audio auch für spontane Interviews und die Aktivierung der Community genutzt werden. Wenn sich auf Events beispielsweise die Gelegenheit bietet, Influencer oder Experten vor das Mikrofon zu bekommen, war bisher oft die Internetverbindung für Video-Livestreams zu schlecht.
Audio-Livestreams können dagegen auch bei eher schlechten Verbindungen, wie sie oft auf Messen anzutreffen sind, durchgeführt werden. Ein spontan geführtes Audio-Live-Interview bietet Fans und Kunden die Chance, bekannten Personen Fragen zu stellen. Gleichzeitig profitiert davon die Aufzeichnung, weil mehr Aspekte angesprochen werden.
Ein Modell für die Leadgenerierung wäre es beispielsweise, den Livestream öffentlich auf der Facebook-Seite laufen zu lassen, die Aufzeichnung jedoch nur gegen Angabe einer E-Mail-Adresse, für Newsletter-Abonnenten oder Mitglieder einer Facebook-Gruppe zugänglich zu machen.
Klar ist, dass bei einem Audio-Livestream mit Community-Integration bestenfalls zwei Mitarbeiter das Interview führen. Der eine konzentriert sich auf den Gesprächspartner, der andere kümmert sich um die Fragen der Community.
Anchor mit Audioformaten für den schnellen Konsum
Die Audio-Plattform Anchor erlebt aktuell nicht nur in den USA ein enormes Wachstum. Was der nun schon etwas älteren Plattform AudioBoom bisher nicht so recht gelang, schafft Anchor aktuell hervorragend: Aufmerksamkeit auf das Thema Audio zu lenken.
Das Grundprinzip der Plattform: Audio-Clips – hier „Waves“ genannt – sind maximal fünf Minuten lang und können von den Hörern nur 24 Stunden lang abgerufen werden. Damit erinnert Anchor an eine Audioversion von Snapchat.
Da es aber auch die Möglichkeit von Audio-Kommentaren – hier „Call Ins“ genannt – gibt, hat Anchor auch ein wenig den Charakter von Twitter, da sich Nutzer in schnellen Audio-Konversationen austauschen können. Die Möglichkeit, Call Ins und Waves öffentlich im eigenen Anchor-Kanal, der „Station“, zu teilen, hat den Charakter von Retweets und fördert das Kuratieren von Inhalten auf Anchor.
Anchor als Audio-Experimentierfeld
Vorweg sei gesagt: Anchor lässt aktuell auch auf Nachfrage noch kein klares Geschäftsmodell erkennen und ist derzeit für die Nutzer kostenlos. Das ist kein Argument gegen Anchor, jedoch ein Hinweis, dass für Unternehmen und Marken Vorsicht geboten ist.
Formate, die dauerhaft Teil der Unternehmenskommunikation sind, sollten angesichts der unklaren Zukunft von Anchor nicht hierauf aufsetzen. Zwar ist es heute möglich, einen Podcast direkt aus Anchor im iTunes und Google Podcast-Verzeichnis zu publizieren. Ohne klares Geschäftsmodell ist die Plattform jedoch nicht verlässlich genug, um wichtige Teile der Unternehmenskommunikation darauf zu setzen. Dafür lassen sich einzelne Waves als Episoden markieren, die dann zum Podcast werden und auch auf Anchor länger abrufbar sind.
Trotz (oder gerade wegen) der unsicheren Zukunft und Basis von Anchor eignet sich die Audio-Plattform mit ihrer aktiven Community hervorragend für den Test neuer Formate und Themen. Unternehmen und Marken können beispielsweise …
- … Kurzversionen neuer Podcast-Formate testen, bevor diese zu einem Podcast in iTunes und Co. werden.
- … die Resonanz auf kritische oder unklare Themen beobachten und das Feedback der Anchor-Hörer nutzen, um Themen zu schärfen oder anzupassen.
- … neue Sprecher ausprobieren und erst nach positiver Rückmeldung der Community auch im Unternehmenspodcast einsetzen.
- … ihr Social-Media-Team in der Kommunikation via kurzen Audio-Clips schulen. Wenn die Mitarbeiter in der Lage sind, in einem Audioformat auf den Punkt zu kommen, bekommen sie das erfahrungsgemäß auch via Video oder im Podcast hin.
Ob Anchor auf Dauer ein Teil des Social-Media-Ökosystems wird, bleibt abzuwarten. Heute bietet die Plattform Unternehmen und Marken jedoch die Möglichkeit, mit geringstem Aufwand Audio auszuprobieren und mit verschiedenen Formaten zu experimentieren.
Audiagramme als Audioformate in allen sozialen Netzwerken
Audioformate sind sowohl leicht zu produzieren als auch leicht zu konsumieren. Ein Teil der Kommunikation ist bei Audioformaten allerdings nicht ganz einfach: die Distribution.
Klassische Podcasts werden via iTunes, Google Podcast oder anderen Verzeichnissen verbreitet. Auf Facebook Live Audio gibt es ein solches „Distributionsproblem“ erst gar nicht, wird der Livestream doch direkt über Facebook selbst durchgeführt, steht dort als Aufzeichnung bereit und kann dann ganz nach Lust und Laune goutiert werden.
Doch was, wenn Unternehmen und Marken Audioformate direkt auf Twitter, LinkedIn oder anderen Plattformen teilen wollen, ohne ihre Leser und Zuhörer auf eine Website umzuleiten?
Dann kommen sogenannte Audiagramme zum Einsatz – also Videos, die eigentlich nur aus einem Bild und einer animierten Tonspur bestehen. Dies vielleicht noch mit transkribiertem Text.
Kollegin Heike Stiegler weist in ihrem folgenden Podcast darauf hin, dass sich diese Audiagramme nicht nur mit Anchor selbst, sondern auch mit einem in Podcaster-Kreisen bekannten Tool erstellen lassen: Auphonic.
Auphonic dient eigentlich zur automatischen Qualitätsverbesserung von Audioaufnahmen. Doch der Dienst kann aus den bearbeiteten Audio-Clips inzwischen auch Audiagramme erstellen und diese automatisch auf Facebook teilen.
Solange Facebook Live Audio noch nicht für alle Seiten verfügbar ist, ist das ein hervorragendes Format, um Audio als Video getarnt zu kommunizieren. Auch auf Twitter, LinkedIn und anderen Netzwerken – ja, auch auf YouTube – können diese Audiagramme eingesetzt werden.
Audiagramme als Audio-Micro-Content
Erst vor Kurzem hat Kollege Stefan Schütz unseren 2016er Artikel zu Micro Content überarbeitet und aktualisiert. Das passt hervorragend, da Audiagramme schließlich optimal als Micro Content mit – im Vergleich zu Video – geringem Produktionsaufwand geeignet sind.
Stefan Schütz beschreibt es im Artikel so:
Gefragt ist, was Emotionen weckt und unterhaltsam, bedeutsam oder faszinierend wirkt. Inhalte sollen uns inspirieren und anleiten, vielleicht sogar weiterbilden.
Wenn wir auf das Eingangszitat von Sam Crowther zurückschauen wird klar, dass Audio-Inhalte hier ideal sind.
Der große Vorteil: Mit einem Dienst wie Auphonic können Audiagramme teilweise automatisiert erstellt und sogar distribuiert werden. Nach der Bearbeitung wird das Ergebnis dann direkt auf Facebook geteilt, und auch die Distribution via Twitter oder LinkedIn ist in wenigen Klicks erledigt.
Noch besser ist, dass sich der gesamte Workflow bei Bedarf auch mobil auf einem Smartphone – und damit auch auf Events und mit wenig Zeit – abbilden lässt.
Zudem können die Audiospuren von bereits produzierten Videos auch für Audiagramme als Micro Content weiterverwendet und als Teaser für die bereits publizierten Videos eingesetzt werden. Audiagramme bieten also die Möglichkeit, Videoinhalte oder längere Audioformate ausschnittsweise in den Social Media zu spielen.
Unternehmen sollten die Audio-Entwicklung nicht verpassen!
Neben den hier beschriebenen Audioformaten sind auch neue Sprachassistenten wie Alexa, Siri, Bixbi von Samsung oder Google Voice wichtige Entwicklungen im Audiobereich.
Nach einem recht langen Fokus auf Video nimmt die Kommunikation via Audio gerade Fahrt auf. Unternehmen und Marken tun gut daran, diese Entwicklung nicht zu verpassen.
Wer keine große Kommunikationsabteilung daran setzen kann, kann mit regelmäßigen Facebook Live Audio Formaten, einem klassischen Podcast oder einem Anchor-Kanal den ersten Schritt in den Audiobereich wagen.
Wichtig ist nicht, vom ersten Tag an alles zu nutzen und sich auf jeder Audioplattform zu bewegen. Vielmehr ist entscheidend, dass Unternehmen das Potenzial von Audio erkennen, es testen und nach und nach für sich erschließen.
Artikelbild: Martin Mummel/GRVTY
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