Fit für die Next Economy? Interview mit Anne M. Schüller und Alex T. Steffen
Die Old Economy mit ihren steilen Hierarchien und schwerfälligen administrativen Abläufen wird mehr und mehr durch die Next Economy abgelöst. Junge High Potentials erwarten eine neue, moderne Arbeitsumgebung, um sich effektiv in Unternehmen einbringen zu können. Welche guten Gründe es dafür gibt, verraten die beiden Autoren des soeben bei Wiley erschienenen Sachbuchs „Fit für die Next Economy: Zukunftsfähig mit den Digital Natives“ Anne M. Schüller und Alex T. Steffen im Zielbar-Interview. Der Clou an der Sache: Die Autoren entstammen genau jenen unterschiedlichen Generationen, um die es in ihrem Amazon-Bestseller geht.
Zielbar: Hallo Anne und Alex, wie kam es überhaupt zu der Idee eines gemeinsamen Buches?
Anne M. Schüller: Der eigentliche Auslöser für das Buch, quasi mein Weckruf, war ein Vortrag des damals 13-jährigen Lorenzo Tural Osorio auf der Co-REACH 2015 in Nürnberg. Da habe ich verstanden: Es bringt gar nichts, wenn die alte, also meine Generation über die junge Generation spricht und schreibt. Das ist nicht aus erster Hand, das ist nicht authentisch und immer gefiltert. Es bringt außerdem wenig, wenn die junge Generation der alten nur erklärt, wie sie tickt, und was sie fordert. Verstehen hilft, aber es bringt nicht voran.
Dass die digitale Transformation unumgänglich ist, ist jedem Manager inzwischen wohl klar. Entscheidend ist, wie man sie hinbekommt. Hier fehlen oft noch die Mittel und Wege. Am besten klappt es unserer Meinung nach dann, wenn Jung und Alt sich gleichberechtigt zusammentun, anstatt Generationenkonflikte heraufzubeschwören. So haben Alex und ich das Buch gemeinsam entwickelt.
Zielbar: Und wo genau seht ihr die eklatantesten Unterschiede zwischen Old Economy und Next Economy?
Alex T. Steffen: Der größte Unterschied liegt meines Erachtens in der Haltung. Einerseits in Bezug auf die neuen Systeme des Lebens und Arbeitens. Andererseits in der Haltung zwischen Jung und Alt zueinander. Das ist der Grund, weshalb wir nicht nur neue Methoden und Modelle benötigen, sondern auch Brückenbauer. Das sind Menschen, die beide Seiten verstehen und Lösungen zur Annäherung finden. So lässt sich die Erfahrung der Älteren mit der Agilität und Offenheit der Jungen verknüpfen und in einen zukunftsfähigen Umgang mit Kunden, Technologien und Mitarbeitern verwandeln.
Anne M. Schüller: Früher haben die Ingenieure die Unternehmen vorangetrieben, heute tut das die Internetgeneration. Sie verändert die Spielregeln in allen Branchen. So hat sie, von tradierten Modellen völlig entkoppelt, längst eine Parallelwelt erschaffen, die sich der Old Economy, wenn überhaupt, nur ansatzweise erschließt. Mit hohem Tempo, digitaler Kernkompetenz und einem Riecher für Innovationen entwickelt sie ganz und gar neue Geschäfts-, Vermarktungs-, Arbeits-, Finanzierungs-, Kommunikations-, Kauf- und Lebensmodelle. Und das ist für sie leicht, weil ihr Blick nicht verstellt ist von Konventionen und Mindsets aus der Vergangenheit.
Zielbar: Ihr beschreibt die mangelnde Änderungsbereitschaft von Unternehmen – was muss sich ändern?
Alex T. Steffen: Wandel ist, denke ich, für jeden eine Herausforderung. Die Digitalisierung bringt zusätzliche Komplexität. Noch nie war es so einfach, als Jungunternehmer existierende Geschäftsmodelle zu ersetzen. Ein Markteintritt geht mittlerweile oft ohne teure Grundstücke, Maschinen oder Vertriebskanäle. Wir brauchen nicht mal mehr eine Garage. Laptop und WIFI reichen am Anfang schon aus. Das bringt eine ungesehene Dynamik in den Markt. Uber und Airbnb sind die gängigen Beispiele. Viele Unternehmen und auch große Teile der Gesellschaft sind demgegenüber weitgehend lernresistent. Ihre einzige Antwort ist Abwehr. Die Strukturen, mit denen sich die Alten etablieren konnten, hatten ihre Berechtigung und auch ihren Nutzen. Doch sie blockieren die nun dringend nötige Agilität, die bei einer exponentiellen Entwicklung unumgänglich ist.
Anne M. Schüller: Was viele Unternehmen bei dem ganzen Hype um die Digitalisierung oft aus dem Auge verlieren: Damit diese gelingt, braucht es zunächst eine Transformation der Organisationsstrukturen, der Führungsprozesse und der Unternehmenskultur. Für viele Manager bedeutet das, dass sie sich von Dingen trennen müssen, die zu ihrer Zeit äußerst wichtig waren, allen voran Macht. So sagen 83 Prozent der Mitarbeiter in deutschen Unternehmen, in ihrer Firma werde noch strikt hierarchisch entschieden. Das fand die Akademie-Studie 2016 heraus Und es kommt noch schlimmer, wie Ergebnisse einer kürzlichen GfWM-Studie zeigen. 39 Prozent der 2.550 Befragten gaben zu Protokoll, dass Führungskräfte in ihrem Unternehmen Veränderungen generell blockieren. Solche Zahlen sind doch erschütternd! Sie zeigen das ganze Ausmaß des Dilemmas.
Zielbar: Aber warum sollten Unternehmen denn nun auf die Millennials hören? Können sie nicht einfach weitermachen wie bisher …?
Anne M. Schüller: Die wahren Gründe, weshalb viele tradierte Unternehmen den Anschluss verpassen, sind genau zwei: Erstens, weil sie in ihren alten Strukturen verharren. Und zweitens, weil sie die junge Generation unterzubuttern versuchen, anstatt sie gezielt als Zukunftsgestalter zu nutzen. Was für sie spricht? Sie ist die bestausgebildetste und zugleich kreativste Generation, die es je gab. Sie will nicht herrschen, sondern gestalten. Der Wandel, den sie technologisch und kulturell bereits in Gang gesetzt hat, wird der größte aller Zeiten sein.
Sie wird futuristisches Neuland besiedeln und Science-Fiction vor unseren Augen wahr werden lassen. Als digital fitte, vielseitig interessierte und global geprägte Generation erkennen Millennials Potenziale blitzschnell, können Marktdifferenzen identifizieren und Lösungen völlig neu kombinieren. Mit ständiger Veränderung umzugehen, darin sind sie erprobt. Komplexität meistern sie bestens. Sie sind Teamplayer, dialogbereit und bestens vernetzt. Kurzum: Das Fundament für die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens.
Zielbar: Welche Schritte können und müssen Unternehmen heute gehen, um die Gen Y von sich zu überzeugen?
Alex T. Steffen: Es geht um nichts weniger als Offenheit für unsere Modelle von Business, Leben und Arbeiten. Wir brauchen Rahmenbedingungen, die auf Selbstbestimmung basieren, um Arbeit zu tun, die wir für bedeutungsvoll halten. Als Mitarbeiter brauchen wir Vernetzung, Kollaboration und Möglichkeiten der eigenständigen Mitgestaltung. Der Chef als Ansager und Aufpasser ist für uns inakzeptabel. Wertvoll ist nicht der, der einen dicken Dienstwagen fährt, sondern der, der die Community durch seine Impulse bereichert.
Der Beitrag zählt, nicht das Lametta am Anzug oder das Schild an der Tür. Fast alles, was uns Millennials am „Old Way“ frustriert, sind aus unserer Sicht Symptome der Macht. Obwohl klar ist, dass Konkurrenz die Leistung steigern kann, meinen wir, dass eine Firma nicht vornehmlich ein Ort des Kräftemessens sein sollte. Wir bevorzugen eine kollegiale Zusammenarbeit in sich selbst organisierenden Teams. Angefangen beim Recruiting über das Onboarding, das Arbeitsumfeld und das Führungsverhalten muss sich in den Unternehmen eine Menge ändern, um attraktiv für uns zu sein.
Zielbar: Ältere Semester beklagen sich ja häufig über mangelnde Loyalität und fehlende Einsatzbereitschaft der Digital Natives. Was haltet ihr davon?
Alex T. Steffen: Da haben sie aus meiner Sicht häufig Recht. Verlässlichkeit und Durchhaltevermögen sind nicht gerade die Stärken unserer Generation. Wir Millennials sind groß geworden in einer Welt, in der es jede Menge Abwechslung und Tausende von Alternativen gibt. So halten wir uns Optionen bis zum Schluss offen. Und wir haben immer einen Plan B. Spontane Absagen bei Verabredungen sind zum Beispiel ein Merkmal dafür. Manchmal brauchen wir die ältere Generation, die uns starke Werte vermittelt und uns fordert.
So können wir seriöser und professioneller werden. Weiterentwicklung ist ja ein großes Thema für uns. Einem jungen, kreativen Menschen nur monotone Arbeiten zu übertragen, führt deshalb bei uns schnell zu Langeweile und Enttäuschung. Wir brauchen Herausforderungen und die Möglichkeit, uns zu beweisen. Dafür übernehmen wir gerne Verantwortung und ergreifen Initiative. Jede Form von Gestaltungsspielraum ist uns recht. Und jede Unterbindung führt zu Frustration und der Suche nach einer Alternative.
Wir verlosen drei Exemplare von „Fit für die Next Economy: Zukunftsfähig mit den Digital Natives“ in unserer Community. An der Verlosung nehmen automatisch alle teil, die unter diesem Interview einen (hoffentlich intelligenten) Kommentar gepostet haben – dieser kann selbstverständlich auch eine Frage an die Autoren beinhalten. Einsendeschluss ist der 30. Juni 2017. Danach werden die drei Gewinner per Auslosung ermittelt und zeitnah informiert. Der Rechtsweg ist wie immer ausgeschlossen – also denkt erst gar nicht dran.
Zielbar: Könnt ihr uns bitte erläutern, weshalb ihr das Reverse-Mentoring-Programm für sinnvoll erachtet?
Anne M. Schüller: Zunächst zum Verständnis: Beim Reverse Mentoring drehen sich die Rollen des klassischen Mentorings um: Der Junior coacht den Senior bei den Themengebieten, die Jung besser kann als Alt. Das geht weit über Facebook, Snapchat und Ähnliches hinaus. Ziel ist erstens, die gesamte digitale Fitness im Unternehmen zu erhöhen, zweitens, altgewohnte Kommunikations- und Arbeitsweisen an die Erfordernisse der Next Economy anzupassen und drittens, ältere Kollegen, Führungskräfte und Topmanager mit der Lebenswelt der Millennials vertraut zu machen. Im Idealfall kann sich ein Tandempaar gegenseitig coachen, also gleichzeitig voneinander und miteinander lernen.
Junges Wissen und wertvolle Managementerfahrungen werden dabei getauscht. Solche Perspektivwechsel schärfen den Blick für alternative Lösungsmodelle, erweitern den Horizont und sorgen für neue Vorgehensweisen. Kollektives Wissen wird angezapft, bereichert, erweitert, professionalisiert. Insofern ist das Reverse Mentoring ein hervorragendes Tool, um jenseits aller Standesdünkel eine lernende Organisation aufzubauen.
Zielbar: Und um was geht es sonst noch in eurem Buch?
Alex T. Steffen: In meinen Kapiteln geht es darum, wie wir Millennials ticken, wie wir Business machen und arbeiten wollen. Ich beschreibe außerdem Methoden zur schnellen Innovation und erkläre, wie die Startup-Kultur funktioniert, unter welchen Bedingungen Innovationslabs erfolgreich sind und wie das alles zusammenwachsen kann, damit die Unternehmen zukunftsfit werden.
Anne M. Schüller: Darauf aufbauend geht es in den anschließenden Kapiteln dann darum, wie die Unternehmen eine neue Organisationsstruktur und auch eine neue Unternehmenskultur entwickeln können, um sich einerseits für die Zukunft gut aufzustellen und andererseits für die attraktiv zu sein, denen die Zukunft gehört. Das ist die junge Generation. Es ist ja deren Welt, in die wir uns alle hineinbewegen.
Zielbar: Abschließend noch eine spannende Frage, die sicherlich auch viele Leser interessiert: Ihr habt ja nun einige Monate sehr eng in dieser besonderen Konstellation zusammengearbeitet – was konntet ihr dabei voneinander lernen?
Alex T. Steffen: Was für mich nochmal klarer geworden ist: Die Definition der digitalen Fitness kennt in Wirklichkeit keine Altersgrenzen. Es gibt 80-Jährige, die aktiv mit Smartphones, Tablets, Facebook & Co. hantieren, und es gibt 30-Jährige, die sich dem Web fast völlig verweigern. So lässt sich sagen: Den Digital Native gibt es nicht. Anne denkt und agiert in vielen Punkten wie ein Millennial, und ich verkörpere durchaus auch Werte der älteren Generation. Wenn wir das Beste aus beiden Welten zusammenbringen, ist der Output wohl am größten.
Anne M. Schüller: Ich war insbesondere überrascht, in welcher Breite und Tiefe, manchmal auf geradezu philosophische Weise sich Alex, als Stellvertreter seiner Generation, Gedanken über das Leben und Arbeiten im Heute und Morgen gemacht hat. Das hat mich noch mehr bestärkt, den Unternehmen zu sagen: Wer auf die Impulse und Initiativen der Millennials setzt und sie aktiv miteinbezieht, verändert seine Organisation. Nicht mit lautem Getöse, sondern leise, in die richtige Richtung und sehr effizient, um fit für die Zukunft zu sein. Geben wir der Jugend diese Chance.
Zielbar: Vielen Dank für dieses wirklich sehr inspirierende Gespräch!
Artikelbild: Martin Mummel/GRVTY
Ich denke, dass man in der Zukunft einfach nicht mehr in klassischen Jobs und Karrieren denkt. Sondern in Herausforderungen und Problemen. Nur wer sich hier seiner eigenen Fähigkeiten bewusst ist – und zwar auf einer genaueren Basis als nur zu vermuten wie diese sind – und diese auch effektiv im Kontext der aktuellen Situation bewerten kann, wird am Ende entscheiden können, welches Problem er als nächstes angeht. Und auch welche Herausforderungen dabei für ihn entstehen und innerhalb welcher Fähigkeiten muss und will er sich weiterentwickeln.
Dies entspricht der Fokussierung der jüngeren Generationen. Jedenfalls aus meiner Erfahrung. Persönlicher Fortschritt, Weiterentwicklung, ständiges Feedback wie und ob man noch on-track ist, usw., das gehört zu den intrinsischen Bedürfnissen. Und zwar nicht nur dieser jungen Generationen, sondern aller Menschen, egal wie alt. Der Unterschied: die jüngeren Generationen sind dank Technologie und Zeitgeist auch gewohnt, dass diese Bedürfnisse generell erfüllt werden können. Also erwarten sie es auch von Unternehmen.
Möchte man hier also den gewünschten Einsatz, die Passion und das Engagement bei den angesprochenen ‚jungen‘ Menschen abholen, muss man auch die Rahmenbedingungen schaffen. Wem das gelingt, der kann sich auch wieder ihrer Loyalität (wenn überhaupt gewünscht und sinnvoll) sicher sein.
Ich finde, es ist eine sehr gute Idee, das mal in den Rahmen eines Interviews zu fassen. Das liest sich sehr gut, auch für jemanden wie mich, der eigentlich Old Economy ist, aber offen für Veränderungen, welche die Digitalisierung mit sich bringt.
Ich habe lange versucht, mich so wenig wie möglich damit zu befassen. Die Erfahrungen der jüngeren Generation und deren Herangehensweise sind aber meines Erachtens wichtig, um Herausforderungen wie beispielsweise das besondere elektronische Anwaltspostfach zu meistern.
Dafür bietet der Artikel wertvolle Anregungen.
Danke für Ihren Kommentar.
Oh wie gerne würde ich dazu ausführlich kommentieren. Aber als Betroffener muss man sich selbst einen Maulkorb verpassen. :-(
Warum sich selbst einen Maulkorb verpassen? Jede Ansicht ist wertvoll und sollte gehört werden.
Wenn ich es mir so recht überlege, kann ich an dem Vorgehen der Autoren nichts Neues entdecken. Sie haben miteinander geredet, haben einander zugehört. Das ist löblich. Die Essenz, dass Oldschool und Newschool voneinander lernen sollten, ist so alt wie die Welt. Daran haben sich alle Generationen vorher schon abgearbeitet. Das auf dieser Ebene zu präsentieren, ist „Entschuldigung!“ banal. Da hilft auch nicht der Rekurs auf Komplexität oder Digitalisierung. Dass sich die Arbeitswelt verändern muss, um den Veränderungen am Markt angemessen Rechnung zu tragen, haben wir alle schon mal gelesen und lesen wir jeden Tag aufs Neue. So What?
Im Grunde können die Herausforderungen des Generationenkonflikts, die hier und bei vielen anderen Autoren beleuchtet werden auf ein zentrales Thema reduziert werden: Das Miteinander wird durch Hierarchien und Machtdenken erschwert. Hier solten die Unternehmen umdenken und auch in der Corporate Identity bzw. Den Unternehmensleitlinien entsprechende Regeln festlegen. Die entscheidende Frage dabei: Kann das die Chefetage, schließlich muss sie dabei Macht abgeben … an den eigenen Vorteil statt an das große Ganze zu denken ist leider menschlich. Hier müssten sich auch die Werte ändern.