Schluss mit dem Hype: Warum es nicht hilft, in Generationen-Schubladen zu denken
Mein Smartphone surrt. Oma hat bestimmt wieder Grüße über WhatsApp geschickt. Nichts Ungewöhnliches an einem Sonntagnachmittag. Abgesehen davon, dass Oma vor Kurzem erst die 80 erreicht hat und dieselbe Technologie wie die sogenannten Digital Natives nutzt. Sie sendet mir Texte mit Emojis, Schnappschüsse von blühenden Dahlien im Garten und witzige Clips, die locker bei YouTube laufen könnten. Laut Meinung vieler Marketer fällt Oma aber aus der Zielgruppe. Schließlich ist ihre Generation nicht Web-affin. Wie ist das möglich? Falsche Frage. Besser: Was bringt es uns heute noch, „in Generationen“ zu denken?
Schublade auf, Menschen rein
Soziale Netzwerke sind das beste Beispiel dafür, dass es nicht sinnvoll ist, im Marketing ausschließlich in Altersklassen zu denken. Seit 2011 ist die Zahl der jugendlichen Facebook-Nutzer zwischen 13 und 17 Jahren in den USA um drei Millionen rapide gesunken.Dem gegenüber steht ein regelrechter Boom der User im höheren Alter. Im gleichen Zeitraum meldeten sich mehr als viermal so viele Personen über 55 Jahren an – ein unvorstellbarer Zuwachs von 249 Prozent. Wer im Online-Marketing hier nicht dynamisch denkt, verliert.
Wenn es um Generationen geht, verfallen wir allerdings nach wie vor in starres Schubladendenken. Das sagt ausgerechnet der Kerl, der erst vor Kurzem lang und breit über die Generation Y und das authentische Marketing geschrieben hat? Ja, so weit ist es leider gekommen, möchte ich sagen. So weit, dass ich den Begriff Gen Y benutzen muss, obwohl ich ihn seit Jahren ablehne. Und damit bin ich leider nicht allein: Jeder kennt die Schublade mit dem Schriftzug Generation Y darauf, kaum ein Oberstübchen kommt heute noch ohne sie aus.
Und die Generationen-Kommode hat zahlreiche Schubfächer: Generation Wirtschaftswunder, Baby-Boomer, Golf, Praktikum, X, Y, Z – beginnt das Alphabet dann eigentlich von neuem? Es scheint ein kollektiver, neurotischer Zwang der Menschen zu sein, sich selbst in Gruppen zu kategorisieren und diesen einen Stempel aufzudrücken. Doch das ist Gleichmacherei, die im Business schadet.
Interessen, nicht Altersklassen
So verschieden Menschen sind, so gleich sind unsere Grundbedürfnisse. Wir alle müssen essen, trinken und schlafen. Und vielleicht haben wir ja auch bei digitalen Gewohnheiten weit mehr gemeinsam, als wir ahnen. Ein Autor von Hootsuite ist jedenfalls dieser Ansicht. In dem kürzlich erschienenen Artikel wird die „Generation C“, also die Generation Connected Customer mit Bezugnahme auf Brian Solis, ausgerufen. Bei der geht’s nicht um Jahrgänge, sondern um Konnektivität.
Ryan Holmes, Autor des Artikels, drückt es so aus:
They’re not just consuming content, they’re creating and curating it.
(Sie konsumieren nicht einfach nur Content, sie erschaffen und kuratieren ihn auch.)
Genau das tut Oma, wenn sie Enkelbilder via E-Mail schickt, bei Facebook einen Kommentar zu den Urlaubsfotos ihrer Freundin hinterlässt oder einen Snap von der letzten Skatrunde an die Follower da draußen sendet. Gut, Letzteres macht sie noch nicht, aber was nicht ist …
Nicht nur online ein Problem
Heute erleben wir eine seltsame Rückkehr zur sogenannten Ursprünglichkeit. Man kann dies als Ergebnis oder als Problem einer technokratischen Überflussgesellschaft sehen. Natürlich ist es spießig, wenn Mittzwanziger-Pärchen auf Kreuzfahrten ein Jahr Beziehung feiern, am Wochenende Runkelrüben in Schrebergärten pflanzen oder bei einem Coldbrewcoffee davon schwärmen, „endlich aufs Land zu ziehen“. Es ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass nicht alle jungen Menschen Party machen und ihr Geld für teure Klamotten verprassen wollen. Genauso wenig wie Senioren nur Eisbein fressen und Andrea Berg hören möchten.
Wer den Fokus des Marketings vollständig auf eine oder mehrere Generationen richtet, schließt automatisch alle aus, die nicht dazugehören – selbst wenn sie gleiche oder ähnliche Bedürfnisse haben. „Das ist nur was für die jungen Leute, da darf ich doch in meinem Alter nicht mitmachen“ – ich kann gar nicht zählen, wie oft ich diesen betrübenden Satz schon in dieser oder ähnlicher Form gehört habe. Dieses Diktat ist zweifelsohne eines, das die Werbung durch ihre Exklusiv-Strategien mit zu verantworten hat. Warum sollten Oma und Opa nicht auch Freude an WhatsApp und Facebook haben? Sorry, Gen Y und Millenials, das mag euch zwar peinlich sein, aber ihr habt nicht das Recht auf Innovation gepachtet.
Und auch Soul Food, Slow Food und wie die Ernährungstrends alle heißen, dürften nicht nur gut für junge Körper sein. So wenig ich die Marke mag, setzt innocent das schon ganz passabel um – Kampagnen wie „Das große Stricken“ holen mit Sicherheit nicht nur Mamis, sondern auch ältere Damen ab. Entmachten wir also den Generationen-Begriff, nutzen wir ihn höchstens für eine grobe Einschätzung unserer Zielgruppe. Legen wir unser Hauptaugenmerk lieber auf die Buyer Persona mit ihren Bedürfnissen, Zielen und Wünschen.
Kein Spielplatz mehr
Und noch ein Problem wird deutlich: Der Begriff der Generation spricht Menschen ihre Individualität ab. Natürlich gibt es gesellschaftliche Strömungen, den Zeitgeist, der unsere Stimmungen, Sichtweisen und Einstellungen beeinflusst. Die rasante Vernetzung ist das beste Beispiel dafür.
Doch digitale Medien sind längst nicht mehr nur Spielwiese der ein bisschen größer und ein bisschen älter gewordenen Neo-Yuppies. Genau wie Websites, Blogs und Online-Shops erwachsen sind, haben auch die Nutzer im Laufe der Zeit Reife entwickelt. Wenn man von den Entgleisungen in Kommentarspalten einmal absieht.
Der Schwerpunkt liegt auf der Customer Journey, oder noch konkreter: der Device Journey, dem Hinübergleiten von PC zu Tablet zu Smartphone also. Immer mehr Menschen surfen bequem auf dem Sofa, shoppen online am PC oder chatten mit dem Smartphone – und das unabhängig vom Alter.
Weg mit dem Generationenbegriff
Ich kann guten Gewissens behaupten, dass die Gen Y von kaum etwas so abgenervt ist wie vom Begriff Gen Y selbst und allen damit zusammenhängenden Klischees. Und ich kann mir vorstellen, dass es anderen Generationen mit den ihnen aufgedrückten Stempeln genauso geht.
Vielfalt ist gefragt, auch wenn diese Vielfalt aus Marketingsicht unbequem ist. Denn einen Vorteil hat das Schubladendenken natürlich: Es eignet sich hervorragend dafür, schicke Konzepte und Kampagnen zu erstellen. Dank der Generationen-Schemata scheinen sie ja auf einem festen Fundament zu stehen – ein gefährlicher Irrtum.
Denn der soziologische Begriff der Generation darf nicht mit dem der Zielgruppe gleichgesetzt werden. Damit machen wir es uns zu leicht. Detektor.fm spricht hier völlig richtig von einer „Generationalisierung“. Das hat der deutsche Allround-Gelehrte Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher mit Sicherheit nicht gemeint, als er damals von der Bedeutung der Generationen sprach.
Der Artikel zur „Generation C“ von Hootsuite ist daher keine Rebellion gegen die eingefahrenen Konzepte, höchstens ein Schritt in Richtung evolutionäre Entwicklung, da er sich nach wie vor im Sprech der Generationen bewegt. Aus diesem Konstrukt müssen Unternehmen jedoch ausbrechen, wenn sie sowohl Mitarbeiter als auch Kunden gewinnen wollen. Der Organisationsforscher Marcel Schütz nennt das die „präzisen Differenzen“:
Als jemand, der ständig neue Organisationen kennenlernt, kann ich Firmen guten Gewissens raten: Macht euch doch nicht maßlos verrückt wegen dieser Generationenkonstrukte. Nur bezweifle ich, dass der Hype ein baldiges Ende findet. Meine Empfehlung wäre aber genau das. Abschied nehmen von der Generationendebatte und sich auf präzise Differenzen beschränken.
Die Frage ist also: Wohin führt der Hype? Und lässt er sich irgendwie verhindern?
Warum wir eine Alternative zu Generationen brauchen
Wissenschaftlich gesehen sind die Gen-Begriffe Unfug. Trendstudien setzen sich immerhin zum Ziel, die zementierten Klischees einzureißen. Das ist löblich, doch wird es an der in Bewegung gesetzten Walze des Generationen-Hypes wenig ändern. Zu fest sind die Stereotypen in den Köpfen verankert. Und längst nicht alle haben ein Interesse daran, sie abschaffen.
Denn diese Hypes nützen vielen: Interviewpartnern, die sich so richtig wichtig fühlen wollen. Selbsternannte Sprachrohre, Coaches, Ratgeberautoren – sie alle wollen wissen, „wie wir ticken“. Oder wollen sie nur den Ticker ihres eigenen Kontostands und ihrer Popularität auf Anschlag bringen?
Doch (immerhin) tut sich etwas in der Medienlandschaft. So startete die ZEIT einen Aufruf gegen die Fremddefinierung der sogenannten Generation Z:
Wir wollen die Geschichte der Generation Z nicht von anderen erzählen lassen, sondern von denen, die ein Teil davon sind.
Sich vom Überbügeln durch Generationenschubladen zu entfernen, ist längst überfällig. Nur so erfahren Marketer, aber auch alle anderen beteiligten Akteure, was die Menschen tatsächlich bewegt. Individualität ist und bleibt nun einmal unumgänglich. Zum Glück.
Nochmal kurz zu meiner Oma
Oma hat sich gemeldet. Über WhatsApp hat sie einen Link geschickt. Einen Videoausschnitt ihrer Geburtstagsfeier. Ein Freund, fast im gleichen Alter wie sie, hätte es auf SD-Karte aufgezeichnet, erklärt sie mir. Das habe sie sich dann einfach auf einen USB-Stick gezogen und in die Dropbox gepackt. Ich bekomme das Gefühl, dass Oma vollständig im Netz angekommen ist. Oder ich dabei bin, meine eigenen Schubladen auszumisten.
Artikelbild: Martin Mummel/GRVTY
Ich empfehle, sich den Bedürfnisgruppen systematisch zu nähern:
1. Um welches Produkt geht es (Inkontinenzprodukte, Glitzernagellack, Industriespülmaschinen)?
2. Welches Bedürfnis adressiere ich mit dem Produkt?
3. Wer hat dieses Bedürfnis?
4. Welches Bedürfnis besteht bei diesen Zielpersonen hinsichtlich meiner Kommunikation (das ist auch ein Produkt)?
5. Welche Gruppen von Individuen größtmöglicher Ähnlichkeit lassen sich bilden?
6. Welches sind die minimalen Faktoren, die einen größtmöglichen Unterschied der Gruppen voneinander ausmachen?
7. Wie lässt sich die Lebenswelt der jeweiligen Gruppen anhand von Kriterien beschreiben, die in Hinblick auf den Kommunikations-Nutzen relevant sind.
Am Ende wird man feststellen ob das Alter eine Rolle gespielt hat oder nicht.
Wie man die relevante Lebenswelt nennt, ist völlig wurscht: Generation X,Y,Z oder Sinus Milieus oder Träumer-Typologie. You name it.
Schönes Beispiel: Der Prince of Wales und der Prince of Darkness (Ozzy Ozborne) sind gleich alt, haben siebenstellige Einkommen, lieben Hunde. Ich weiß nicht ob ich sie in die gleiche Zielgruppe stecken würde. Außer vielleicht für Tierfutter.
Hallo Stephan,
danke für deinen systematischen Überblick, kann ich so unterschreiben! Am Ende des Prozesses die Altersgruppe festzustellen, halte ich jedoch für verschenktes Potenzial. Um bei deinem Beispiel zu bleiben: Im Zuge der Ermittlung einer Buyer Persona würde sich schnell zeigen, dass Ozzy und der Prince of Wales wenig gemeinsam haben. Wobei nicht auszuschließen ist, dass beide die gleiche Musik hören … ;)
Hi Benjamin,
Ich wolltz hier auch mal meinen Kommentar von Facebook posten :-)
Jein. „Interessen, nicht Altersklassen“ ist sehr richtig, nichtsdestotrotz hat die Altersklasse für einige Marketer ihre Daseinsberechtigung weil Bedürfnisse auch vom Alter abhängen, denn es gibt nunmal „Phasen“ im Leben, in denen man etwas als relevanter empfindet, als in anderen. Z.B. Versicherungen, Hochzeit / Verlobung, Altersvorsorge, …
Aber grundsätzlich bin ich mit dem Beitrag einverstanden :-)
Hi Maël,
danke dir. :) Ja, völlig richtig. In Generationen zu denken, halte ich auch für sinnvoll – bis zu einem gewissen Grad. Und der ist erreicht, wenn andere, relevante Zielgruppen ausgeschlossen werden bzw. sich ausgeschlossen fühlen. Ich würde mir beim Kauf eines Treppenlifts zum Beispiel komisch vorkommen. Obwohl das Teil echt komfortabel ist. ;)
Hallo Benjamin,
vielen Dank für diesen Beitrag, der mir so richtig aus der Seele spricht. Warum?
Weil ich seit Jahren an der AltenAkademie in Dortmund Senioren in der Nutzung von PCs und Smartphones/Tablets unterrichte. Warum die dort sind? Weil sie weiter mit ihren Kindern und Enkeln und Urenkeln kommunizieren wollen – und sie genau wissen, dass sie sie eben besser mit Skype, WhatsApp oder auch dem Facebook Messenger erreichen können. Unvergessen das Telefonat, das ich in einer Pause mithören konnte: „Hör mal Laura, ich bin jetzt auf Facebook!!!“ Die Dame war zarte 85! :)
Weil ich mich selbst als „Digital Native“ betrachte – obwohl ich schon 23 war, als ich meinen PC (ein Atari 1040ST, tolles Teil!) kaufte und obwohl ich schon 30 war, als ich das erste Mal mit dem Internet in Berührung kam. Der Beginn einer wundervollen Freundschaft! Und wenn man dann noch weiß, dass ich mittlerweile 50 Jahre alt bin, macht das mal eben satte zwanzig Jahre Internet-Nutzung! Ich habe zu 28.8er Modem-Zeiten begonnen und damals schon breitbandiges Internet mit Streaming von Videos in einem Pilotprojekt erprobt und betreut. Ohne diese Technologien könnte ich meine Arbeit heute nicht ausführen und ohne wären auch einige meiner Hobbies (Urban Sketching, Spanischlernen) so ganz anders, als sie jetzt sind.
Nicht zuletzt spricht mir Dein Beitrag so aus der Seele, weil auch die Personas meines Unternehmens überhaupt nicht in dieses Generationenschema passen. Wenn ich da an meine Kundinnen und Kunden betrachte, stelle ich immer wieder fest, dass gerade die Mitt- bis Endfünfziger in ihrer Souveränität der Social Media Nutzung den Jüngeren in nichts nachstehen. Wenn sie nicht so lange dabei sind wie ich, brauchen sie vielleicht den einen oder anderen Türöffner. Habe ich die erste Tür für sie aber aufgeschlossen, erstürmen sie die anderen Zimmer mit großer Zuversicht und Begeisterung selbst.
Zauberhafte Grüße
Birgit
Hallo Birgit,
vielen Dank für deinen Zuspruch – schön, so etwas zu lesen! Alle Achtung, da bist du im wahrsten Sinne des Wortes in die Entwicklung hineingewachsen. Ich kenne noch das 56k-Modem – DSL war da wie eine Offenbarung. Mir hat es gefallen, diese Entwicklung bewusst mitzuerleben. Die einzelnen Schritte vom Handy, auf das maximal 10 SMS passten und Snake im Angebot hatte bis zum Smartphone.
Es ist gut und richtig, Berührungsängste abzubauen. Das Ganze hat natürlich auch eine Kehrseite, die wir nicht verschweigen dürfen: Junge User finden es nicht so super, wenn ihre Eltern und Großeltern auch bei Facebook sind. Disruptive Technologie wird auch deshalb von den Jüngsten besonders intensiv genutzt, weil sie sich auf diese Weise von den „ollen“ Alten abzugrenzen. Im Grund wie in einem Jugendclub.
Selbstverständlich haben auch ältere Menschen das Recht, Facebook und Co. zu nutzen. Sie müssen aber damit leben, dass ihre Kinder und Enkel als Konsequenz dessen in neue Netzwerke wandern. Bis die Alten nachziehen. Dieses Spielchen wird wohl immer so weitergehen … :)
Beste Grüße
Benjamin
Hallo Benjamin,
klar, niemand geht in die Kneipe, in die auch die eigenen Eltern gehen. Aber die Senioren haben erkannt, dass sie mit den neuen Entwicklungen standhalten müssen, wenn sie den Kontakt nicht verlieren wollen. Und letztlich sind sie in der Regel auch recht stolz auf ihre Eltern und Großeltern, wenn diese Social Media nutzen.
Ich prognostiziere mal, dass die Grenzen der einzelnen Generationen sich sowieso immer weiter ausdehnen und sogar überlappen werden. Die heutigen Abiturienten kommen mir soooo viel jünger und unreifer vor, als ich mich selbst damals empfunden habe. Gleichzeitig glaube ich, dass die Generationen vor mir nie so (mental und körperlich) junge 50-jährige gekannt hat, wie mich. ;) Alles eine Frage der Perspektive.
Letztlich gilt es für die jüngeren Entscheider in der Werbebranche, den Kontakt zu den älteren Generationen nicht zu verlieren. Denn die sind heute erstaunlich kaufkraftstark, markenbewusst, aufgeschlossen und neugierig auf Neues. Überleg mal, die heute über 70-jährigen waren die Fans der Beatles und The Who usw. – biete denen im Altersheim mal Volksmusik an …. ;)
Beste Grüße
Birgit
Hallo Birgit,
es sei denn, die Eltern geben einen aus. ;) Eine ähnliche Beobachtung habe ich auf meinem ehemaligen Campus gemacht. Ich sah die Erstis und dachte mir: „Sahst du auch so blutjung aus, als du angefangen hast?“
Klar, der Lebensstandard ist in den vergangenen Jahrzehnten gestiegen. Vor allem im Osten hat man ja die rasante Entwicklung mitbekommen, Leipzig ist ein gutes Beispiel dafür. Wenn ich höre, was unsere Großeltern-Generation an Entbehrungen u. ä. durchmachen musste, dann staune ich umso mehr über die geistige und körperliche Fitness einiger Großmütter.
Ich bin mir nicht sicher, ob eine Verwischung der Grenzen von Generationen zu begrüßen ist. Ich hätte es offen gestanden als Jugendlicher ziemlich ätzend gefunden, wenn meine Eltern auch bei ICQ oder MSN gewesen wären. Manche Dinge will sich die Jugend vorbehalten und das ist in meinen Augen auch gut so.
Derzeit lässt sich eine spannende Entwicklung bei Snapchat beobachten. Jugendliche nutzen es zum Spaß, bis die Erwachsenen Wind davon kriegen und mitmachen wollen – teils natürlich auch mit wirtschaftlichen Absichten. Das ist riskant, da die Nutzer wie ein Schwarm abwandern könnten. Wir erinnern uns in diesem Zusammenhang sicher alle noch an Studi VZ …
Damit möchte ich nicht sagen, dass Generationen sich voneinander abschotten sollten. Es ist eben auch eine Frage der Verhältnismäßigkeit. Würde Oma mir jeden Tag 50 Nachrichten auf WhatsApp schicken, würde mich das sicherlich nerven.
Ja, den Kontakt nicht zu verlieren, halte ich auch für sehr, sehr wichtig. Wer weiß, was bei mir im Altersheim mal gespielt wird. Hoffentlich keine Volksmusik! ;)
Hi Benjamin,
im Großen und Ganzen gebe ich Dir Recht – was die Jüngeren aber gern vergessen: Es sind meist die Älteren, die das erfunden und zur Marktreife gebracht haben, was sie gerade so hip und cool finden. :D
Beste Grüße
Birgit
Lieber Benjamin, danke für Deinen Denkanstoss. Natürlich gibt es nicht DIE Gen XYZ etc. Auch bestätigen Ausnahmen die Regel. Insofern wird es auch immer Oma´s geben, die als Beispiel dafür herhalten, dass es auch jenseits der 70 technikaffine Menschen gibt. Und doch prägen und sowohl die Lebensumstände/-phasen und -Erfahrungen einen Menschen. Diese Erfahrungen wiederum haben Auswirkungen auf die Nutzung des Internets. Wenn Oma Bildchen schickt, Whatsappt und mit dem Enkel in Australien skypt heißt das noch lange nicht, dass sie über diese Kanäle auch werbetechnisch mit einer „Du“-Anrede erreichbar ist und schnelle Bildfolgen einer Werbebotschaft folgen kann. Insofern halte ich es sehr wohl für wichtig, zu „Clustern“.
Hallo Petra,
von den Beispielen gibt es meines Erachtens viele – und ihre Zahl nimmt zu. Genau wie die junger Menschen, die sich weitestegehend von Technik und Online-Plattformen lösen (Stichwort „Digital Detox“). Insofern gilt es, die Marketing-Strategie an die Konsumenten anzupassen. So muss nicht notwendigerweise mit schnellen Bildfolgen geworben werden.
Am Beispiel meines Blogs kann ich gut erkennen, dass auch Ältere sehr gern meine Rezensionen und Artikel lesen, teilen und kommentieren. Ohne derartige technische Möglichkeiten würde ich diese Menschen nicht oder nur schwer erreichen.
Schöner Artikel.
Da möchte ich doch noch das Beispiel meiner 80-jährigen Mutter bringen, die von ihrem 15 Jahre jüngeren Lebenspartner verboten bekommt, meine Posts auf Facebook zu verfolgen.
Sie ist nicht so Technik-bewandert und somit abhängig von ihm.
Hallo Stefan,
vielleicht macht sie sich ja noch unabhängiger? Es wäre doch schade, wenn sie deine Posts nicht lesen könnte, oder?
Es geht um Werte. Das ist eigentlich nichts Neues. Es ist aber plakativerer von DER Generation zu schreiben. Und einfacher nach sozio- demographischen Daten zu suchen. Hier werden dann kausal Zusammenhänge gebaut, die es so nicht gibt. Es setzt das Statistikdilemma ein. Mehrheiten in einem Attribut stehen eben nicht kausal im Zusammenhang mit einem anderen.
Der Professor der Archäologieist zwar fünfzig und lebt in Standfort. Sein Hobby: extrem gefährliche Abenteuerreisen – es ist Indianer Jones.
Wertesettings zu definieren, sollte bei der Definition von Personas im Mittelpunkt stehen. Das diese auch einen Namen und ein Alter bekommen nicht.
Hallo Frau Seger,
Sie sagen es – Individualität und die Chance zur präzisen Analyse gehen verloren, sobald Zusammenhänge konstruiert werden, die nicht vorhanden sind. Daher sind Aussagen wie „Die Gen X,Y,Z ist …“ grundsätzlich mit einer gesunden Skepsis zu betrachten.
Hallo Herr Brückner,
ein sehr interessanter Beitrag, aber sind Sie Teil der Generation „Du“ ? Wieso duzen eigentlich Ikea, Apple usw. usf. ungefragt ? Jaja, das Englische machts da halt schön bequem.
Schade nur, das Ihre wirklich interessanten Gedanken aus der Sicht des Marketings gesehen werden und man damit schonmal den „Bock zum Gärtner“macht. Schlußendlich zielt Ihr Artikel darauf ab, wie man das Marketing NOCH effektiver machen könnte, noch durchdringender in alle Bereiche der Gesellschaft. Dabei empfinde ich persönlich eine tiefe Müdigkeit gegenüber dem alltäglichen Marketingterror, dem man sich kaum entziehen kann, so man denn nicht in den Himalaya auswandern möchte.
Das ganze könnte man z.b. auch wunderbar auf das Beziehungsgetümmel zwischen Mann und Frau beziehen. In meiner persönlichen Sozialisierung liefen wir mit Latzhosen durch die Gegend und versuchten möglichst wenig Macho zu sein, bis dann ebensolcher 83 im Film „Carmen“ von den eben noch ganz soften Damen herbeigesehnt wurde, dann kam wieder der Softie usw. usf.
Generationen- ,Geschlechter- und Wertekonfusion auf der ganzen Welt und das Marketing greint darüber, das man nicht mehr so „richtig“ an die Menschen herankomme ?
Zurück zu Ihrer Oma: ich bin 55, mein Vater 80 und mein Sohn 13. Vater/Mutter und Sohn waren unlängst zusammen in Urlaub und der Enkel führte seine Großeltern geduldig und souverän in die Welt der Tablets ein. In einem Alter, in dem ich nichts mehr mit meinen Großeltern anfangen konnte, gibt es hier eine ganz wunderbare Brücke zwischen den „Generationen“ und ich darf ganz neue Seiten an meinen Eltern entdecken, was eine wunderbare Sache ist.
Die drei, 13 und 80, haben sich überhaupt nicht um Generationengrenzen geschert, sondern etwas für sich zusammen gefunden, ohne sich an die jeweils „andere Generation“ anzubiedern. Ein „wir“ und keine „unterm Strich zähle ich“.
Und wie wäre es denn, wenn „wir“ zusammen überlegen, was kommt, wenn alles durchkonsumiert wurde ? Die Inhaltliche und gespenstische Leere der jungen Generationen mit Zukunftsideen füllen anstatt nur darüber nachzudenken, wie man wem noch mehr Kram andrehen könnte.
In diesem Sinne wünsche ich einen schönen Herbst und danke nochmal für die Anregung…
Hallo Herr Abel,
danke für Ihren ausführlichen Kommentar mit dem persönlichen Beispiel. Interessant! Dann haben Sie ja ähnliche generationenübergreifende Erfahrungen gemacht.
Hm, Generation „Du“- wie sollte die aussehen? Was Sie ansprechen, ist die Herumkumpelei seitens einiger Unternehmen, und das muss man sicherlich nicht mögen. Zielbar hingegen ist ein Online-Magazin, wir als Autoren möchten möglichst schnörkellos mit unseren Lesern kommunizieren. Das „Du“ bietet sich da als Anrede an.
Stimmt, es kann und darf nicht der Zweck von Marketing sein, Menschen zu belästigen. Allerdings ist hierbei die Perspektive von entscheidender Bedeutung, je nach Bedürfnis- und Lebenslage. Und wir alle benötigen ein Minimum an Gegenständen, Produkten, wenn Sie so wollen – sogar dann, wenn Sie in den Himalaya auswandern.
Im Marketing können nun verschiedene Richtungen eingeschlagen werden, die sich durchaus positiv auf die Gesellschaft auswirken. Nämlich dann, wenn Authentizität einen zentralen Wert innerhalb dieses Prozesses bildet.
Auch karitative Einrichtungen betreiben Marketing. Es geht daher nicht um einen reinen Konsumismus, sondern um Sichtbarkeit. So schreibt der Caritas Ahaus und Vreden e. V. auf seiner Website:
„Die rasante Entwicklung im Sozialbereich, d. h. von der Wohlfahrtspflege hin zum modernen Dienstleistungsunternehmen, stellt hohe Anforderungen an die Wohlfahrtsverbände. Die vielfach verbreitete Ideologie „einfach nur da zu sein“ reicht heute nicht mehr aus. Um auf dem Markt bestehen zu können, bedarf es eines professionellen Marketings.“
Quelle: https://www.caritas-ahaus-vreden.de/unser-verband/caritas-sozialmarketing/caritas-sozialmarketing
Natürlich haben Marketer auch eine Verantwortung, insbesondere in Hinblick auf die jüngeren Generationen, damit eben nicht die von Ihnen angesprochene inhaltliche Leere auftritt. Doch nicht alle wollen den Leuten „noch mehr Kram andrehen“.
Ihnen auch einen schönen Herbst, ich bedanke mich für Ihre Ausführungen.
Beste Grüße
Benjamin Brückner