Storytelling – alles neu macht der Messenger

Storytelling – alles neu macht der Messenger

„Erzähl mir was“! Nur wenige von euch werden sich an die gleichnamige Hörbuchreihe aus den 1980er-Jahren erinnern. Auch was Kassetten für uns dicke Kinder aus Landau waren, werden ausschließlich Zeitzeugen authentisch wiedergeben können. Vermutlich können wir alle in einigen Jahren nicht mal mehr etwas mit dem Begriff „Verlag“ im herkömmlichen Sinne anfangen. Ein solcher zeichnete damals für die Audio-Geschichten samt Begleitheft verantwortlich.

Heutzutage erhalten wir unsere Informationen und Storys in erster Linie – oder zumindest als allererstes – über digitale Kanäle. Social Networks bereiten uns mit Hilfe von Algorithmen relevante News auf. Tools sorgen dafür, dass wir zur rechten Zeit am rechten Ort mit dem benötigten Input versorgt werden. Sogenannte Bots erleichtern uns das Schreiben oder nehmen uns die Textarbeit direkt ganz ab. Corporate Blogs schildern mit geschulten Mitarbeitern unterschiedlichster Kommunikationsdisziplinen ihre persönliche Sicht der Dinge. Bequemen Internet-Potatoes werden in Social Hubs sämtliche Content-Arten zu einem bestimmten Thema mit dem Einsatz eines einzigen touchable Klicks zur Verfügung gestellt.

Letztendlich ist es doch auch egal, woher wir wann und in welcher Form unsere Geschichten beziehen oder – um im Bild des Schwanks aus meiner Jugend zu bleiben – bezogen haben. Könnte man zumindest meinen. Doch scheint es vielmehr so zu sein, als hätten Unternehmen und Marken die Grundlagen des Storytellings verlernt und wären noch immer in der Romantik des Web 2.0 gefangen. Deshalb frische ich das Wissen mit diesem Beitrag auf und übertrage es auf die Echtzeit-Kommunikation via Messenger-Apps.

Unternehmen und Marken haben die Basics des Storytellings verlernt und ihre Zielgruppen verloren.TWEET

Geschichten über die Geschichte des Storytellings

Wir alle lieben vor allem gute Geschichten, sind regelrecht süchtig danach. So ist es kaum verwunderlich, dass das traditionelle Geschichtenerzählen in den letzten Jahren eine Art Renaissance erfahren hat. Allen voran sei exemplarisch „Game of Thrones“ genannt.

Die Macher der TV-Erfolgsserie haben es von Beginn an verstanden, sämtliche Kanäle zielgerichtet und konsistent zu bespielen. Legendär war die Anzeige in der New York Times, die im redaktionellen Teil per Doppelseite mit einer Drachen-Silhouette als Wasserzeichen versehen war.

Noch wichtiger als die passgenaue Ansprache ist jedoch die Relevanz. Wollen wir doch im Rahmen des Storytellings informiert sein, unterhalten werden und gelegentlich einen Blick hinter die Kulissen gewährt bekommen. Dadurch wird uns eine gewisse Verbundenheit oder Vertrautheit suggeriert. So werden wir zum Helden und festen Bestandteil der Story.

Das schmeichelt uns, und wir sind dazu bereit, uns der Sache – hier der Serie, aber im übertragenen Sinne natürlich dem Produkt oder der Marke – hinzugeben und interessiert zu verfolgen, um in einem nächsten Schritt subjektiv darüber zu berichten. Die Customer und sonstigen Stakeholder werden zu positiv gestimmten Markenbotschaftern. Animiert durch ein außergewöhnliches, unverwüstliches, einmaliges und markantes Storytelling – wie es allein der „valyrische Stahl“ oder ein mit Weitblick gesegnetes Unternehmen umzusetzen vermag.

Storytelling als kommunikativer Fachbegriff

Der Begriff Storytelling wird je nach Kontext und Disziplin unterschiedlich interpretiert. Insbesondere im Umfeld von Content-Marketing, Public Relations und Unternehmenskommunikation gibt es keine einheitliche Definition. Dennoch folgt die optimale Erzählweise im Grunde immer ein und derselben typischen Dramaturgie. Einer Handlung, die als Komposition verstanden werden will und in einem Spannungsbogen mündet, die Leser, Zuhörer oder Zuschauer gleichermaßen aufmerksam und aktiv bleiben lässt.

Fünf klassische Elemente sind bei einer funktionierenden Story stets zu erkennen:

  1. Eine sinnstiftende und somit emotional bedeutende Ausgangssituation setzt ein Motiv voraus. Jede gute Story bedarf eines Grunds, erzählt zu werden.
  2. Eine sympathische oder polarisierende Hauptfigur ist das entscheidende Kriterium von herausragendem Storytelling. Jede Story bedarf eines Helden.
  3. Eine zu überwindende Hürde oder ein Hindernis wird nicht mit einer Werbebotschaft oder einem Leistungsversprechen bezwungen. Jede Story bedarf eines Konflikts.
  4. Eine erkennbare Entwicklung begeistert und motiviert weitaus mehr als reine Facts and Figures, weshalb Emotionen vor Datenanalysen stehen. Jede Story bedarf Aufmerksamkeit.
  5. Eine Moral von der Geschichte oder ein Plot sorgt für den Höhepunkt, den kausalen Zusammenhang der Handlungsstränge. Jede Story bedarf Viralität.

Wichtig ist es aus Unternehmenssicht, sich nicht auf den Lorbeeren auszuruhen. Erfahrungen haben uns gelehrt, dass anfänglich wunderbar funktionierende Cases von erfolgreich inszenierten Storytelling-Formaten schnell in Vergessenheit geraten.

Drei beispielhafte Storytelling-Kampagnen

Die Kampagne „Siemens/answers“ verstrickt sich seit Jahresbeginn mit dem neuen Claim „Ingenuity for life“ (frei übersetzt: „Erfindergeist für das Leben“) eher in Fragen, als Antworten zu liefern. Was als bemerkenswerte Bewegtbild-Kampagne mit mehr als 50 Kurzfilmen begann, verkümmert zu einem gut gemeinten und von wenig Einfallsreichtum geprägten Storytelling-Konzept für die B2B-Kommunikation. Oder erinnert sich noch jemand an die Geschichten, in denen Siemens sehr subtil die Hauptrolle spielte und konsequent aus der Perspektive Dritter die firmeneigenen Technologien erlebbar machte?

Im November 2013 hatte die Lufthansa mit der Social-Media-Kampagne #inspiredby ein schönes Signal in Sachen modernes Storytelling gesetzt. Reisende und Crew-Mitglieder erzählten auf YouTube, Facebook, Twitter und Instagram sowie der Kampagnen-Website von persönlichen Erlebnissen, die sie auf ihren Reisen inspiriert haben. Die anvisierte junge, internetaffine Zielgruppe wurde vielfach erreicht und sorgte ihrerseits für eine beachtlich hohe Anzahl an Posts und Shares. Blogger, Testimonials und Agenturen wurden verpflichtet, und im Bereich Video kooperierte man mit dem Magazin VICE. Mittlerweile ist es sehr ruhig um diese Inspirationsquelle geworden. Auf der Website gibt es nur noch sporadisch user-generated Content. Den letzten Twitter-Beitrag mit Kampagnen-Bezug zierte vor einigen Tagen ein halbvolles Kölsch-Glas beim Herumlungern eines Reisenden in der Wartehalle. Na dann, prost!

Zum Schluss noch eine rührende Geschichte – werden doch besondere Geschichten größer, wenn man sie teilt. So lautete jedenfalls die Leitidee der Telekom zu ihrer Kampagne um den Mann im rosa Ballett-Tutu. Sie erzählte die Geschichte des amerikanischen Fotografen Bob Carey, der seine an Brustkrebs erkrankte Frau Linda aufzuheitern vermochte. Er fotografierte sich im besagten Outfit an verschiedensten Plätzen und zauberte nicht nur ihr ein Lächeln ins Gesicht. Nach und nach verbreiteten sich die Fotos im Internet. Was folgte war eine unglaubliche Resonanz und eine Flut an Zuneigung und Anteilnahme. Die Bilder wurden zu Symbolen für Hoffnung und Freude am Leben. Den Auftakt bildete ebenfalls im Jahre 2013 eine groß angelegte Kommunikationskampagne in TV und Web. Das Unternehmen hatte es geschafft, Geschichten aus dem Leben aufzugreifen und die Kraft des Teilens zu unterstreichen.

Schaust du deinen eigenen Film und bist dein eigener Held

Ich bekomme tatsächlich noch immer Gänsehaut, wenn ich über das Schicksal der tragischen Heldin in letztgenannter Aneiferung nachdenke. Bei aller Emotion dürfen wir nur nicht vergessen, dass uns auch dieses schwere Los nur bekannt ist, weil die persönliche Geschichte eines einzelnen Paares weitestgehend im Rahmen einer im Kern sachlich-orientierten Herangehensweise präsentiert und durch die Community weitergetragen wurde.

Jetzt möchte ich weder Moralapostel noch Spielverderber sein, aber wir sind ja nicht nur zum Selbstzweck hier. Die zuvor genannten Kampagnen-Beispiele liegen mit ihren Anfängen bereits einige Jahre zurück und sind aus Sicht der Kommunikation schön und gut. Allerdings vermisse ich die (beziehungsweise deren) Weiterentwicklung in Bezug auf Storytelling. Es ist mir schwergefallen, adäquate Anregungen für den hiesigen Beitrag aus der näheren Vergangenheit aufzutreiben. Storytelling und Messaging-Dienste scheinen noch unterschiedliche Wege zu gehen, den gemeinsamen Nenner nicht gefunden zu haben. Obgleich eine solche Verschmelzung unabdingbar ist.

Denn die „Social-Story-Generation“ ist längst woanders unterwegs und möchte, wenn überhaupt, eigentlich viel lieber über das eigene Glück (oder weitaus seltener Unglück) berichten. Und zwar in einem geschlossenen Kreis unter dem Schlagwort „Dark Social“ – dem Kreis des Vertrauens. Film- und Focker-Freunde wissen genau, wovon ich spreche.

By the way: Definition von Dark Social

Als „Dark Social“ wird Traffic bezeichnet, der für Analytics-Anwendungen nicht erfassbar ist beziehungsweise aus nicht messbaren Quellen stammt. Das heißt, dass nicht jeder Zugriff, der durch Social Shares zustande kommt, auch getrackt werden kann. Unter diese Kategorie fallen beispielsweise Inhalte, die über Messenger geteilt werden. Der Begriff wurde 2012 von Alexis C. Madrigal eingeführt, seines Zeichens Journalist bei der Zeitschrift „The Atlantic“.

Laut der Studie „The Dark Side of Mobile Sharing“ von RadiumOne macht dieser „Dark Traffic“ mittlerweile 84 Prozent der mobilen Shares aus. Für Analysten, Werber und Unternehmen ist das ein großes Problem. Denn dieser Traffic ist in der Regel deshalb so wertvoll, weil hier häufig persönliche Empfehlungen ausgesprochen und interessante Erfahrungen und Geschichten ausgetauscht werden.

Die Zeiten sind demnach vorbei, in denen User in den Social Media alles von sich preisgeben. Ungeniert ihre Bilder, Anekdoten und Geschichten posten oder sich öffentlich mit anderen Nutzern konstruktiv austauschen. Interessiert doch sowieso keine Sau. Das Begehren nach intimerer Kommunikation steht im Vordergrund. Mobile Messenger bieten dafür optimale Voraussetzungen. Sieht man mal davon ab, dass wie im Beispiel WhatsApp ein Internet-Gigant namens Facebook die Fäden in der Hand hält und es mit dem Datenschutz nicht immer so genau nimmt.

So sprießen die Messenger-Apps und Messaging-Dienste wie Pilze aus dem Boden, erfreuen sich größter Beliebtheit und erfahren ein Update – um den veränderten Nutzeransprüchen gerecht zu werden. Gefragt ist nach wie vor, was Emotionen weckt und unterhaltsam, bedeutsam oder faszinierend wirkt. Allerdings hat die Aufmerksamkeitsspanne abgenommen und zeitgleich sind die Vorstellung und das Bedürfnis hinsichtlich mehrwertbietender Inhalte stark gestiegen. Zum Thema Micro Content hatte ich zuletzt meine Meinung hier bei Zielbar geäußert.

Aber auch andere Kanäle zahlen auf die neue Art des Storytellings ein. Google etwa setzt via YouTube auf 360-Grad-Videos und Virtual Reality. Dafür wurde unter anderem eigens eine Abteilung aufgebaut. Der Konzern erhofft sich dadurch neue Impulse für ein anspruchsvolles Storytelling. Von „Immersion“ ist die Rede – dank des 360-Grad-Ansatzes wird buchstäblich das ganze Bild aufgezeigt, in dem man sich bewegen und damit quasi selbst Regie führen kann.

Ohne Zweifel würde es an dieser Stelle zu weit führen, sich über das Potenzial von Augmented Reality für das Storytelling auszulassen. Darum belasse ich es bei einem Link zu beeindruckenden Download-Zahlen der Pokémon GO App in Real Time vom AppInstitute. Vielleicht ein anderes Mal mehr davon. Bis dahin möchte ich euch außerdem mit einem Beitrag zu Gamification im Content-Marketing-Mix vertrösten und mit den folgenden Zeilen bei Laune halten. Schließlich geht es hier um Messenger, und wir haben noch nicht alle Fragen geklärt.

Herausforderungen des Storytellings für Unternehmen

Die Unternehmen sind Zeuge eines Paradigmenwechsels. Das Sender-Empfänger-Modell ist so tot wie der Hahn, der nicht mehr kräht. Kokodi, Kokoda. Abgelöst durch das Dialog-Netzwerk-Modell, in dem jeder die Rolle des Senders oder Empfängers oder eben Helden einnehmen kann.

Das bedeutet einerseits für den Nutzer, in die Handlung einsteigen zu können und Teil der Geschichte zu werden. Erfolgt das durch eine Erzählkunst über sämtliche Dimensionen hinweg, spricht man von Storyscaping.

Storyscaping auf einen Blick

Storyscaping ist aus den englischen Begriffen Storytelling und Landscape entstanden und bezeichnet einen insbesondere durch digitale Prozesse geprägten Ansatz. Hiermit sollen Marken, Erlebnisse und Technologien in Einklang gebracht werden. Die Konsumenten können so zu jeder Zeit entscheiden, ob und wann sie in die Marken- respektive Produktwelt zurückkehren, erstmalig einsteigen oder wieder aussteigen.

Ein vertrautes Gefühl wird suggeriert. Der sofortige Einstieg in ein Thema ermöglicht. An irgendeinem Touchpoint. Die Interessenten generieren auf Anhieb einen Mehrwert, ohne lange suchen oder sich Wissen aneignen zu müssen. Denn das Interesse wird in diesem einen Moment so groß sein, dass man eigenständig Erfahrungen sammeln und sich tiefgründiger mit der Thematik und später mit der Marke, der Dienstleistung oder dem Produkt beschäftigen will.

Für die Unternehmen ergeben sich neue Chancen, andererseits auch neue Komplexitäten bei der Entwicklung und Umsetzung der Storyline. Durch die Befeuerung neuer Kanäle und das Wetteifern bei aufkeimenden Trends oder das Mitgehen von Hypes wird die Story per se allerdings nicht interessanter.

Somit ist es unter anderem die kreative Aufgabe der Marketer, aus einem 360-Grad-Video mehr als ein „Rundum-Panorama“ zu machen – nämlich durch frisches Storytelling via Messenger eine immersive Erfahrung zu vermitteln und so ein großes Stück näher an den User heranzurücken.

Storytelling reloaded: Storydoing

Eine Strategie vorausgesetzt, können Unternehmen im wahren Wortsinne tatsächlich etwas tun. Aus den oben genannten Elementen des Storytellings haben sich ergänzende Charaktereigenschaften unter dem Schlagwort Storydoing entwickelt.

  1. Story first: Die zu erzählende Geschichte wird ohne Ausnahme in den Mittelpunkt sämtlicher Maßnahmen und Aktivitäten gerückt. Produkte und Dienstleistungen stellen sich hinten an, werden höchstens subtil und jenseits kommerzieller Bestrebungen untergebracht.
  2. Eigenlob stinkt: Es wird sich selbstkritisch hinterfragt. Große Marken wissen, was sie können und darstellen und manchmal eben nicht sind. Das spielt ohnehin nur eine untergeordnete Rolle, denn die Customer stehen entlang ihrer Journey stets im Zentrum der Unternehmensbetrachtung.
  3. Nutzen aufzeigen: Der Alltag wird bereichert und ein High-End-Produkt allen erdenklichen Zielgruppen zugänglich gemacht. Wir reden nicht bloß darüber, was die Menschen mit der Marke verbindet und zu Handlungen inspiriert. Kundenerfahrungen sind unabhängig von den Kosten zu bewerten.

Die Produkte ähneln sich zunehmend, die Kampagnen sind generisch und die Stories sind es auch. Deshalb muss der Content mit einem ausgereifteren Storytelling wieder und noch viel unverwechselbarer sein. Ständige Wiederholungen in nervenden Dauerschleifen turnen den Consumer schlichtweg ab. Immerzu und in immer kürzeren Intervallen werden stattdessen überraschende, neue Geschichten abverlangt.

Folgerichtig müssen die Unternehmen grundsätzlich ihre Ansprache überdenken, sich auf die Grundlagen und die Evolution des Storytellings besinnen und neue Wege (sprich: Kanäle) angehen. Um Kunden zu erreichen, müssen Unternehmen und Marken heute auf vielen Kanälen vertreten sein. Eine Werbeanzeige oder eine Kundenzeitschrift reichen weder aus, noch sind sie losgelöst jedweder strategischen Zielsetzung zeitgemäß, kundenorientiert oder auf irgendeine Weise kompatibel zu meiner Vorstellung von ansehnlichem Storytelling.

Zwei Beispiele für Messaging-Dienste im Storytelling-Einsatz

Versuche, Messaging-Dienste einzubeziehen, gibt es einige. Doch enden sie derzeit meistens eher in platten Werbebotschaften. Der Spirituosenhersteller Absolut Vodka hatte 2013 per WhatsApp zu einer Challenge aufgerufen. Um den Launch der Limited Edition Absolut Unique zu feiern, wurde eine exklusive Party veranstaltet. Der Eintritt wurde nur denjenigen gewährt, die es schafften, per WhatsApp den fiktiven Türsteher Sven mit kreativen Argumenten zu überzeugen. Mit über 600 Kontakten und mehr als 1.000 Bildern, Videos und Sprachnachrichten konnte diese Marketingkampagne ein hohes Engagement der Community erzielen.

Dass es auch mit dem Storytelling in WhatsApp funktioniert, zeigt das #4dez-Projekt zum 70. Jahrestag der Bombardierung Heilbronns am 4. Dezember 1944. Per Blog wurde dabei die „Geschichte über die Geschichte“ in Echtzeit via WhatsApp erzählt. Knapp 2.500 Menschen haben gebannt mitgelesen und sich emotional an die Ereignisse erinnert. Die beiden Macherinnen sprachen später in einem Erfahrungsbericht davon, dass es nie zuvor auf allen Kanälen so viele und ausschließlich positive Rückmeldungen zu einer ihrer Berichterstattungen gegeben hat.

Es muss also noch mehr an den Messaging-Diensten wie Snapchat, Yo oder WeChat dran sein – und mit ihnen gehen. Ein solch erfolgreicher Börsengang wie vor Kurzem der von Line (die mit Abstand beliebteste Messenger App in Japan umfasst global 218 Millionen Nutzer) geht nicht allein mit einem veränderten Nutzerverhalten einher.

Jede Minute werden über Messenger im Netz unvorstellbar große Datenpakete bewegt. Warum schaffen es die Unternehmen nicht, diesen Umstand und das Instrument Storytelling sinnvoll zu nutzen? Können, dürfen oder wollen sie es nicht? Ungeachtet etwaiger Bemühungen wird es ihnen nämlich auch nicht leicht gemacht.

Denn ein Grund für diese Nachlässigkeiten dürfte sein, dass natürlich die Plattformen eigene Interessen verfolgen. Am Ende sollen nicht die Marken (mögen diese noch so viel in Ads investieren), sondern die Anbieter selbst profitieren. Facebook beispielsweise rüstet derzeit den hauseigenen Messenger als Support-Kanal für Unternehmen und den vor einigen Jahren erworbenen Ableger WhatsApp mit Chatbots ordentlich auf. Das geschieht überraschenderweise nicht uneigennützig und soll die Vormachtstellung der direkten Kundenansprache manifestieren. So lassen sich Abhängigkeiten schaffen und Gelder generieren – ähnlich wie mit den Instant Articles als Publishing-Tool, um den Verlagen das Wasser abzugraben.

Daran schließt sich meine These an, dass Storytelling eine weitaus weniger große Lobby hat als die Werbewirtschaft. Gerade aus Unternehmenssicht. Schnell ist bei jedem Hype die Rede von möglichen Werbeformaten. Eine nachhaltige Positionierung, wie sie über Storytelling möglich ist, wird kaum bis gar nicht in Betracht gezogen.

Außerdem ist es für die Unternehmen zugegebenermaßen schwer, sich auf die ständigen Updates einzulassen und der Schnelllebigkeit gerecht zu werden. Gab es bei Snapchat Anfang Juni 2016 noch ein Redesign, wurden jetzt die „Snapchat Memories“ eingeführt. Dieses zusätzliche Feature soll es erleichtern und ermöglichen, packende Stories zu erzählen und die Verweildauer von derzeit durchschnittlich 30 Minuten innerhalb der App zu erhöhen. Dadurch könnte Snapchat auch für andere (und insgesamt mehr) Altersgruppen spannend werden. Vor allem für die, die weniger geilen Live-Content raushauen, als lieber mit Bedacht Geschichten erzählen wollen.

Mein Fazit

Unternehmen und Marken sind gut beraten, eine ganzheitliche Content-Marketing-Strategie zu verfolgen und in Bezug auf Storytelling vor allem Messenger-Apps einzubinden. Hier spielt aktuell und zukünftig die Musik – und hier ist auch die Zielgruppe zu Hause. Der Dialog erfolgt in Echtzeit und außerhalb der Feeds in privater Atmosphäre.

Noch sind nicht alle technischen Voraussetzungen geschaffen, um die Interaktionsraten in wünschenswerte Höhen zu treiben und den Erfolg zu messen. Storytelling könnte dann aber der Hebel und Schlüssel zum Erfolg sein. Geschichten gibt es genug, sie müssen nur erkannt, freigelegt und erzählt werden.

Kennst du weitere Cases für das sogenannte Ephemeral Storytelling? Gibt es das überhaupt? Nutzt du Messenger-Dienste für dein Marketing – und wenn ja, in welcher Form?
Storytelling – alles neu macht der Messenger
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Stefan Schütz

Stefan Schütz

Stefan Schütz ist als Senior Manager Corporate Communications bei einer Not-for-Profit-Organisation für interne und externe Kommunikationsprozesse zu strategischen Fragestellungen und crossmedialen Maßnahmen zuständig. Seit mehreren Jahren schreibt das waschechte Nordlicht als bekennender Content-Enthusiast in seinem Blog PR-Stunt über klassische Kommunikationsthemen, Social Media und Content-Marketing.

19 Reaktionen zu “Storytelling – alles neu macht der Messenger”

  1. Verena
    Verena

    Danke für diesen interessanten, informativen Artikel!

    Antworten
    1. Stefan Schütz
      Stefan Schütz

      Hallo Verena,

      danke auch – für dein Feedback und das fleißige Teilen des Beitrags!

      LG
      Stefan

      Antworten
  2. Michael

    Hallo Stefan,

    ich kann Dir nur zustimmen.
    Auch im privaten Umfeld – und sind wir nicht alle zu zu allererst „Privatmenschen“? – verschiebt sich die Kommunikation, weg von Facebook, weg von den „Großen“, hin zu geschlossene (Messenger-)Gruppen, zu Diskussionsforen, dorthin, wo man Gleichgesinnte bzw. genau sein Thema, seine Infos findet.
    Und na klar, ist das auch ein Thema für Onlinemarketing, einfach nur „drauflos“ streuen nützt wenig, denn am Ende muss man seinen Interessenten / Leser dort abholen, wo dieser sich zu Hause fühlt.

    Ich bin gespannt, wie sich die tatsächliche, messbare und relevante Nutzung von Messengerdiensten in den nächsten Monaten/ Jahren entwickelt.

    Grüße aus Sachsen

    Antworten
    1. Stefan Schütz
      Stefan Schütz

      Hallo Michael,

      ich bin auch sehr gespannt, wie die Entwicklung vonstatten geht. Und vor allem wie die Unternehmen mit ihrem Storytelling, Content-Marketing oder ganz allgemein ihrer Ansprache reagieren werden – und wie schnell.

      Vielleicht bekommen wir schon bald erste tolle Cases präsentiert…

      Danke und viele Grüße
      Stefan

      Antworten
      1. Michael

        Hallo Stefan,

        ich bin mir sicher, dass Ihr „am Ball“ bleibt und wir uns bald über gute Beispiele austauschen / diese analysieren werden.

        Erfolgreichen Wochenstart und Grüße aus Sachsen
        Michael

        Antworten
        1. Stefan Schütz
          Stefan Schütz

          Hallo Michael,

          vielen Dank für das in uns gesetzte Vertrauen – wir bleiben dran ;-)

          Vielleicht bist du ja schneller als wir, halte uns gerne auf dem Laufenden.

          Gruß
          Stefan

          Antworten
  3. Roman Rackwitz
    Roman Rackwitz

    Hi Stefan,
    klasse Artikel und auch zeitgemäß :-).

    Schließlich vereinen die vier größten Messenger mittlerweile mehr MAUs als die vier größten Social Media Plattformen. Und wie immer muss es für Unternehmen darum gehen dorthin zu gehen, wo die größte Aufmerksamkeit stattfindet.

    Antworten
    1. Stefan Schütz
      Stefan Schütz

      Hallo Roman,

      besten Dank – vielleicht ist dieser Beitrag sogar der Zeit voraus ;-)

      Aufmerksamkeit ist wohl die neue Währung. Ich würde mich sehr freuen, wenn die Unternehmen zunehmend „einzahlen“ und damit die Kunden „einkaufen“.

      By the way (für alle, die den Begriff nicht kennen): MAU steht für „Monthly Active Users“, also monatlich aktive Nutzer. DAU bedeutet „Daily Active Users“ und bezieht sich auf die täglich aktiven (Unique)-Nutzer einer App.

      Viele Grüße
      Stefan

      Antworten
      1. Roman Rackwitz
        Roman Rackwitz

        Völlig richtig, Stefan. Es geht einzig und allein um die Aufmerksamkeit der Nutzer. Um ein vielfaches wichtiger ist es dann, diese auch halten zu können. Und hier ist eine 1-zu-1 Kommunikation, wie wir sie aus Messenger kennen, und damit sind auch Chatbots eingeschlossen, psychologisch stark im Vorteil.

        Lustig ist hier immer wieder wie sehr sich Unternehmen aber dagegen sträuben mit der Begründung, dass diese oder die andere Plattform bzw. Messenger nur ein ‚Fade‘ ist und bald wieder verschwindet und die Aufmerksamkeit der User dann eben nicht mehr dort ist.

        Aber:
        1. Ist der Aufwand dann erfolgreich zu sein, wenn die Plattform doch besteht, viel schwerer und kostenaufwändiger und
        2. Variierte die Aufmerksamkeit der Zielgruppen schon immer sehr schnell. Egal on es in dem einen Moment eine Fernsehserie war, bei der es sich dann lohnte Werbung zu schalten, oder plötzlich eine andere. Egal ob es heute das Event ist und morgen ein anderes, bei dem man werben kann. Und so weiter.

        Warum es sich also plötzlich bei Social Media & Co jetzt nicht mehr lohnt auf die ‚Aufmerksamkeitsströme & -richtungen der Zielgruppen zu achten, bei all den anderen angesprochenen Bereichen aber schon, checke ich nicht. Und die Unternehmen meist auch nicht mehr, wenn man es ihnen so erzählt ;-)

        Cheers

        Antworten
        1. Stefan Schütz
          Stefan Schütz

          Chee­rio Roman,

          ein sehr schöner Wink! Ich nehme deine Argumentation gerne in den „Baukasten“ meiner Beratertätigkeit auf – wenn’s mal wieder länger dauert, bis der Groschen fällt ;-)

          Check
          Stefan

          Antworten
          1. Roman Rackwitz
            Roman Rackwitz

            Hey Stefan,
            war jetzt nicht als ‚Belehrung‘ gedacht.
            Aber freut mich :-)

            Cheers

  4. Petra Sammer

    Danke für die kompakte Zusammenfassung und den guten Überblick – hat Spass gemacht zu lesen.

    Antworten
    1. Stefan Schütz
      Stefan Schütz

      Vielen Dank – so macht es mir auch Spaß!

      Antworten
  5. Stefanie Möller

    Toller Beitrag, vielen Dank! Mir ist bei den Beispielen noch die Weihnachtsgeschichte via Whatsapp des Bistums Essen eingefallen. Eine der ältesten Geschichten der Welt, über den Messemger neu und für ganz andere Zielgruppen erzählt. Wer nachlesen möchte, hier: http://blog.bistum-essen.de/weihnachtsgeschichte/

    Antworten
  6. Stefan Schütz
    Stefan Schütz

    Hallo Stefanie,

    ich danke dir! Die Weihnachtsgeschichte via Messenger ist ein schönes Bespiel…

    Viele Grüße
    Stefan

    Antworten
  7. Annette Hexelschneider

    Storytelling geht ja auch durchaus kurz. Hier ein Beispiel dafür von Science-Storytelling: https://www.theguardian.com/science/brain-flapping/2014/jul/21/famous-science-history-twitter-humour

    Und eine strategische Ergänzung, die Denklandkarte:
    http://thetoolkitproject.com/tool/story-canvas

    Antworten
    1. Stefan Schütz
      Stefan Schütz

      Hallo Annette,

      klar – Storytelling gibt es auch als/beim Micro Content ;-)

      https://www.zielbar.de/magazin/micro-content-10251/

      VG
      Stefan

      Antworten
  8. Thomas Schuster
    Thomas Schuster

    Hallo Stefan,
    dein umfangreicher Beitrag regt zum Nachdenken an – danke. Storytelling + Messengereinsatz, das ist für viele Unternehmen ein Wunschtraum. Es klemmt in der Regel oft an zwei Dingen: Es ist keiner da, der die inhaltlichen Anstöße zum Storytelling liefert und es fehlen leider häufig die personellen Ressourcen, um konstant am Ball zu bleiben. Das ist insbesondere im Mittelstand ein dickes Brett, von dem keiner so genau weiß wie er es bohren soll. Ich stimme dir aber voll und ganz zu – da ist für viele Unternehmen noch Luft nach oben. Wir versuchen unsere Kunden peu a peu davon zu überzeugen, dass Messenger eine gute Kontaktmöglichkeit im Dialog mit dem Kunden darstellen. Schritt für Schritt, frei nach dem Motto. „mit dem Essen kommt der Appetit“.

    Grüße aus dem wilden Süden.
    Thomas

    Antworten
    1. Stefan Schütz
      Stefan Schütz

      Hallo Thomas,

      herzlichen Dank! Ein wilder Ritt bei euch im wilden Süden – ich denke auch, dass wir einfach weiter Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit betreiben (müssen)!

      Viele Grüße
      Stefan

      Antworten

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